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S3-Leitlinie zur "Prävention und Therapie der Adipositas" aktualisiert

Drei Fachgesellschaften rücken Übergewicht und Typ-2-Diabetes zu Leibe

Unter Federführung der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) in Kooperation mit der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) wurde am 02. Juni 2014 die neue wissenschaftliche S3-Leitlinie zur Prävention und Therapie von Adipositas (Fettleibigkeit) zur Veröffentlichung freigegeben. Weitere Fachgesellschaften waren beratend eingebunden.

"Wir freuen uns, dass die neue Leitlinie zur Versorgung von Patienten mit Adipositas in Deutschland nun zur Verfügung steht, denn sie räumt mit einigen falschen Vorstellungen und Empfehlungen auf, die fast täglich in den Medien kursieren und Menschen mit Übergewicht verwirren.", so Prof. Dr. med. Martin Wabitsch, Präsident der DAG. "Wichtig ist, dass die Adipositas nun als Krankheit definiert ist. Diese Feststellung ist überfällig und wegweisend. Denn sie ist die Voraussetzung dafür, dass fettleibigen Patienten mit Folgekrankheiten zukünftig eine kassenfinanzierte Therapie ermöglicht werden kann. Bislang hat man nur die Folgekrankheiten medikamentös behandelt, ohne die Ursache zu therapieren. Dies wird hoffentlich auch dazu beitragen, der weitverbreiteten Stigmatisierung Übergewichtiger im Alltag entgegen zu wirken.", fasst der Kinder- und Jugendarzt zusammen.

Geradezu revolutionär in der heutigen Zeit ist die Erkenntnis, dass die Zusammensetzung einer Reduktionskost hinsichtlich der Hauptnährstoffe Fett, Kohlenhydrate und Eiweiß von untergeordneter Bedeutung ist. Es ist also egal, ob zur Gewichtsabnahme eine "low-fat"-oder "low-carb" bzw. eine eiweißbetonte Kost gewählt wird: Letztlich zählt das erreichte Energiedefizit (Empfehlung 500 kcal/Tag, ggfs. mehr). Viel wichtiger ist, dass die Ernährungsweise zur Person passt und dass die Therapeuten Vorlieben, Erfahrungen, Kenntnisse und auch Stärken der Abnehmwilligen individuell berücksichtigen und in der Therapie nutzen - denn das erhöht die Chance auf eine nachhaltige Gewichtsreduktion. Das bedeutet auch, dass sich Personen, die abnehmen wollen, nicht mehr in strenge Schemata pressen lassen müssen, die sie nicht lange durchhalten können. Der Verzicht auf unerreichbare Ideale sollte damit deutlich zur Entspannung beitragen und kann vielleicht auch den ein oder anderen Frust-bedingten Essanfall verhindern.

"Die Verhaltenstherapie ist neu formuliert worden und einer häufigen, strukturierten und von Fachpersonal durchgeführten Ernährungsberatung wird ein hoher Stellenwert beigemessen." , berichtet Prof. Dr. med. Alfred Wirth, Koordinator und Leitlinienbeauftragter der DAG.

Nach der neuen Leitlinie sind eher individuelle Therapieziele (je nach Schweregrad des Körpergewichts im Bereich von 5-10 % des Ausgangsgewichts) und eher eine Gewichtsstabilisierung anzustreben. Hier werden empfohlen: Ernährungs- und Verhaltensumstellung und mehr Bewegung durch spezielle Schulungsprogramme, auch empfehlenswert sei eine Senkung des glykämischen Index und die "mediterrane Kost".

Körperliche Aktivität soll neben der Ernährungs- und Verhaltenstherapie ein Bestandteil der Maßnahmen zur Gewichtsreduktion und - stabilisierung sein - vorausgesetzt, es besteht keine Kontraindikation für zusätzliche körperliche Aktivität. Besonders geeignet sind gelenkschonende Ausdauersportarten und mehr Bewegung im Alltag.

Des weiteren beschreibt die neue Leitlinie Zielgruppen und zu erwartende Gewichtsabnahmeerfolge kommerzieller Gewichtsreduktionsprogramme mit publizierten Daten.

Bleibt die konservative Therapie über 6 Monate erfolglos, sollte bei Patienten mit BMI zwischen 35 und 50 kg/m2 eine chirurgische Therapie erwogen werden. Bei einem BMI über 50 kg/m2 kann eine chirurgische Therapie auch ohne vorangehende konservative Therapie durchgeführt werden. Bei einem Typ-2-Diabetiker kann eine Indikation bereits bei einem BMI zwischen 30 und 35 kg/m2 bestehen (Sonderfälle). Eine lebenslange interdisziplinäre Nachsorge ist notwendig.

Zur Vorbeugung von Übergewicht wird ein Lebensstil mit regelmäßiger, ausdauerorientierter körperlicher Bewegung, bedarfsangemessener Ernährung sowie regelmäßigen Gewichtskontrollen empfohlen. Der Verzehr von Fast Food, Alkohol und zuckerhaltigen Softdrinks sollte reduziert werden.

"Die Leitlinie geht nicht auf verhältnispräventive Aspekte der Adipositasprävention und explizit nicht auf die gesundheitspolitische Verantwortung des Staates zur Schaffung eines gesundheitsfördernden Lebensumfeldes ein. Diese Aspekte müssten bei einer nächsten Überarbeitung berücksichtigt werden.", so Leitlinienbeauftragter Wirth.

Die S3-Leitlinie zur "Prävention und Therapie der Adipositas" ist bis zur nächsten Aktualisierung gültig, höchstens jedoch bis Mitte 2019. Vorgesehen sind regelmäßige Aktualisierungen etwa einmal im Jahr.

Hintergrund

Eine S3-Leitlinie ist evidenzbasiert, d. h. gründet auf den qualitativ besten und bestverfügbaren, wissenschaftlichen Erkenntnissen und wird nach einem vorgegebenen Schema erarbeitet. Bei fehlender oder unzureichender Evidenz wird eine Expertenmeinung formuliert, die als solche gekennzeichnet wird. Die S3-Leitlinie spiegelt damit den aktuellen Wissensstand eines Fachgebiets auf höchstem Niveau wider.

zuletzt bearbeitet: 21.07.2014 nach oben

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