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Forderung des Deutschen Diabetiker Bundes zu CGM-Systemen

Soziale Teilhabe muss auch bei CGM an erster Stelle stehen

Dieter Möhler, Bundesvorsitzender des Deutschen Diabetiker Bundes Der Deutsche Diabetiker Bund (DDB) kritisiert ein neues standardisiertes Formular zur Beantragung eines kontinuierlichen Glukose-Messsystems (CGM), das diabetesDE vor kurzem vorgelegt hat. Der DDB, Deutschlands größte Selbsthilfeorganisation für Diabetiker, befürchtet dadurch sogar weitere Einschränkungen in der CGM-Versorgung. "Es ist für uns nicht nachvollziehbar, wieso die Inklusion, also die soziale Teilhabe von Diabetikern, erst ganz am Ende des Antrags steht. Wir vertreten die Forderung im Interesse der Diabetiker, dass Inklusion an erster Stelle stehen muss", erklärt der DDB-Bundesvorsitzende Dieter Möhler.

"Im Gegensatz dazu begrüßen wir auch nicht die Nutzenprüfung der CGM durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), denn dieses Bewertungsverfahren ist aktuell die Ursache dafür, dass CGM-Geräte faktisch von der Versorgung ausgeschlossen sind", macht Möhler deutlich. Schon im Frühjahr 2012 hat sich der DDB daher mit Unterstützung der Patientenvertretung beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) für die Einstellung des Methodenbewertungsverfahrens eingesetzt. Für den DDB ist bei der CGM-Nutzung weiterhin keine neue ärztliche Untersuchungs- oder Behandlungsmethode (NUB) ersichtlich. Ganz im Gegenteil musste der DDB feststellen, dass Nutzer der kontinuierlichen Glukosemessung weniger ärztliche Unterstützung benötigen, da sie anhand der Messwerte selbstständiger agieren können.

Der DDB hält es auch für "absolut unzumutbar, dass Diabetiker zunächst einen akut lebensbedrohlichen Zustand abwarten sollen, um sich für eine CGM-Nutzung zu qualifizieren", ist sich Möhler sicher. Der Begriff der lebensbedrohlichen Erkrankung bzw. eines vergleichbaren Zustands wird vom Bundessozialgericht sehr eng ausgelegt. So sollte nach Auffassung des Landessozialgerichts NRW eine drohende Amputation im Unterschenkelbereich bei einer Diabetikerin noch keinen lebensbedrohlichen Zustand darstellen. Das Sozialgericht Hamburg vertrat ebenfalls die Auffassung, dass selbst eine schwere Unterzuckerung (Hypoglykämie) mit Fremdhilfe nicht als akut lebensbedrohlich qualifiziert werden könne. Der Verlust des Arbeitsplatzes, eine Berentung, aber auch der Verlust der Sehfähigkeit auf nur einem Auge, wären z. B. ebenfalls nicht ausreichend, um eine CGM-Nutzung zu rechtfertigen.

"Wieso folgt man hier den patientenfeindlichen Krankenkassenvorgaben, die unter Berufung auf die sogenannten NUB-Kriterien die meisten CGM-Anträge ablehnen? Im Patienteninteresse kann dies nicht sein", betont der Rechtsanwalt. "Nach meinen Erfahrungen scheint es im Moment mehr oder weniger vom Zufall abhängig zu sein, wessen Antrag auf ein CGM durchgeht und wessen nicht. Eine solche Willkür verbietet sich in einem demokratischen Rechtsstaat", ergänzt die Rechtsanwältin Sabine Westermann vom DDB-Rechtsberatungsnetz.

Der DDB kritisiert ebenfalls scharf, dass die CGM-Nutzung immer wieder als kostenintensiv gebrandmarkt wird. Bei den meisten Systemen können die Sensoren doppelt bis drei Mal solange genutzt werden, gleichzeitig können Blutzuckermessungen drastisch reduziert und Notarzteinsätze sowie entsprechende Krankenhausaufenthalte gänzlich vermieden werden. "Wenn wir aber erst einen lebensbedrohlichen Zustand abwarten müssen, werden die Kosten explodieren ganz zu schweigen von dem sozialen Abstieg, der einzelnen Diabetikern droht", weiß Möhler.

"Gerade in schweren Fällen mussten wir feststellen, dass häufig schon gravierende Kosten entstanden waren, z. B. in Form von Krankenhausaufenthalten, Notarzteinsätzen, Krankengeldzahlungen, bis die Betroffenen, allerdings meist auch erst nach Anrufung des Sozialgerichts, mit einem CGM versorgt wurden", sagt der DDB-Bundesvorsitzende. "Hier wäre es weitaus wirtschaftlicher und weniger kostenintensiv gewesen, dem Diabetiker umgehend ein CGM zur Verfügung zu stellen, mal ganz abgesehen von dem persönlichen Leid des Diabetikers und seiner Familie bei solchen Strapazen." Für abwegig hält der DDB es auch, die Anträge auf eine dreimonatige Nutzungsdauer des CGM zu befristen. Genauso gut könnte man Blutzuckermessungen nur an drei Tagen der Woche durchführen. Die meisten CGM-Nutzer benötigen das Hilfsmittel durchgängig, schließlich handelt es sich um eine chronische Erkrankung.

"Wir sprechen uns außerdem generell dafür aus, dass nicht lediglich Blutzucker- und Hba1c-Werte darüber entscheiden, wer eine Insulinpumpe und/oder ein CGM bekommt bzw. behalten darf. Im Vordergrund muss der individuelle Mensch mit seiner konkreten Lebenssituation und seinen Bedürfnissen stehen", erläutert er.

Als problematisch bewertet der DDB auch, dass Diabetiker nach dem standardisierten Antrag nachweisen sollen, dass die angestrebte Stoffwechsellage nur mit mehr als 10 Blutzuckermessungen am Tag zu erreichen sein soll. Möhler: "Das erste Problem ist schon, dass die meisten Diabetiker gar nicht so viele Teststreifen verschrieben bekommen, da die Ärzte befürchten, in Regress genommen zu werden. Des Weiteren muss davon ausgegangen werden, dass der Diabetiker dann eben auf entsprechend häufige Blutzuckermessungen verwiesen wird, wenn dadurch die angestrebte Stoffwechsellage erreicht werden kann."

Als "diskriminierend und rückständig" beurteilte der DDB außerdem die Praxis einiger Krankenkassen und Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDKs), die Diabetiker, die ein CGM u. a. aus beruflichen Gründen beantragt haben, dazu auffordern, den Arbeitsplatz an den Diabetes anzupassen statt ein CGM zu benutzten.

Bildunterschrift: Dieter Möhler, Bundesvorsitzender des Deutschen Diabetiker Bundes
Bildquelle: Deutscher Diabetiker Bund (DDB)

zuletzt bearbeitet: 07.11.2013 nach oben

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