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Moderne Therapieansätze für Menschen mit Typ-2-Diabetes in der Praxis

Abstract zum Vortrag von Privatdozent Dr. med. Rainer Lundershausen im Rahmen der Vorab-Pressekonferenz zur 46. Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) am 25. Mai 2011 in Leipzig.

Vor der Therapie stehen eine frühzeitige Diagnose und Änderung des Lebensstils

Privatdozent Dr. med. Rainer Lundershausen Dem Typ-2-Diabetes mellitus liegen folgende Pathomechanismen zugrunde: die Insulinresistenz, das heißt, auch bei Vorhandensein von Insulin ist dessen biologische Wirkung an den Zellen reduziert, die nachlassende Insulinsekretion infolge einer verminderten Betazellmasse in der Bauchspeicheldrüse und Störungen der GLP1-abhängigen Insulin- und Glukagonregulation. Der Typ-2-Diabetes entwickelt sich auf einem genetischen Background durch das Hinzutreten von Umweltfaktoren, wie Fehlernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel.

Zu einem effektiven Therapiekonzept gehört zunächst die möglichst frühzeitige Diagnosestellung, das heißt Menschen mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes sollten Gesundheits- und Vorsorgeuntersuchungen, die ein Diabetesscreening einschließen, regelmäßig wahrnehmen.

Die Basis jeder Behandlung stellt die Lebensstilmodifikation mit Ernährungsumstellung, Gewichtsreduktion und Bewegungsaktivierung dar. Der Patient sollte bereits bei Krankheitsentdeckung durch ein qualifiziertes Team geschult werden, um die Voraussetzungen für das notwendige Selbstmanagement der Erkrankung zu schaffen.

Sowohl die Schulungsmaßnahmen als auch die Auswahl einer medikamentösen Therapie sollten den Empfehlungen der DDG in der Praxisleitlinie zur Behandlung des Typ-2-Diabetes mellitus folgen.

In der Fassung dieser Leitlinien von 2008 wird der Einsatz von Metformin bereits bei Krankheitsentdeckung empfohlen, vorausgesetzt es liegen keine Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten vor. Hierdurch werden die Insulinresistenz gebessert, die Gewichtsabnahme befördert und die gefäßprotektiven Eigenschaften dieser Substanz genutzt.

Wird das individuell festzulegende Therapieziel (HbA1c zwischen 6,5 und 7,0 Prozent) nicht erreicht, ist der Zusatz eines zweiten nichtinsulinären Antidiabetikums möglich. Hier stehen neben Glibenclamid und Glimepirid innovative Substanzen zur Verfügung, die DPP4-Inhibitoren und die GLP1-Analoga. Die Medikamente dieser beiden Substanzklassen bewirken über eine Erhöhung des GLP1-Spiegels eine glukoseabhängige Verbesserung der Insulin- und eine Reduktion der Glukagonsekretion, eine Verzögerung der Magenentleerung sowie eine Downregulation der zentralnervösen Steuerung von Hunger und Appetit. Hierdurch wir eine verbesserte Glykämielage und bei Einsatz der Analoga mehrheitlich eine bemerkenswerte Gewichtsreduktion erreicht. Die DPP4-Inhibitoren sind gewichtsneutral. Die Substanzen beider Klassen führen nicht zu Hypoglykämien.

Bis zu Anfang dieses Jahres standen als weitere innovative Therapeutika die Thiazolidindionen (Rosiglitazon und Pioglitazon) zur Verfügung. Die Erstattungsfähigkeit von Rosiglitazon wurde durch einen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses gestrichen, die von Pioglitazon - trotz Vorliegen einer positiven Studie zur Reduktion kardiovaskulärer Endpunkte - erheblich eingeschränkt. Die Entscheidung gründet sich auf kardiovaskuläre Ereignisse und eine erhöhte Frakturrate. Die DDG hält jedoch die Erstattungsfähigkeit von Pioglitazon in ausgewählten Einzelfällen, wie zum Beispiel hochgradiger Insulinresistenz bei eingeschränkter Nierenfunktion, auch weiterhin für notwendig.

Wird auch hierdurch das definierte Therapieziel nicht erreicht, wird eine Insulintherapie erforderlich. Hierfür stehen schnell- und kurzwirksame Analoginsuline, humane Normalinsuline, humane Verzögerungsinsuline, langwirksame Analoginsuline und vorgefertigte Mischungen der Substanzen in unterschiedlichen Konzentrationen zur Verfügung. Bei einer pathophysiologisch orientierten Behandlung mit Insulin sollte zunächst geprüft werden, in welcher zirkardianen Phase die Insulinsekretion des Patienten besonders defizitär ist.

Ist der Nüchternblutzucker nicht im Zielbereich (zirka 118 bis 128 mg/dl (6,5 bis 7,0 mmol/l) kann zunächst die abendliche Gabe eines Verzögerungsinsulins erfolgen und die Verabreichung der oralen Antidiabetika am Tag beibehalten werden. Liegt die Glykämie auch im Tagesverlauf außerhalb der vereinbarten Ziele (präprandial cirka 108 bis 128 mg/dl (6.0 bis 7,0 mmol/l), postprandial ca. 128 bis max. 162 mg/dl (7.0 bis max. 9,0 mmol/l), empfiehlt sich die mahlzeitenadaptierte Gabe eines kurzwirksamen Insulins präprandial. Eine Kombination der Insulintherapie mit Metformin ist empfehlenswert, solange keine Kontraindikationen vorliegen und Metformin vertragen wird. Auch die Substanzen Pioglitazon und Sitagliptin sind für die Kombination mit Insulin zugelassen.

(Es gilt das gesprochene Wort!)

Bildunterschrift: Privatdozent Dr. med. Rainer Lundershausen, Mitglied des Vorstands und Pressesprecher der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG), Leitender Arzt der Diabetesabteilung der Median-Klinik Bad Berka, niedergelassener Diabetologe, Erfurt.
Bildquelle: Deutsche Diabetes-Gesellschaft

zuletzt bearbeitet: 25.05.2011 nach oben

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