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Über 1 Milliarde Abfallteile jährlich durch die Diabetestherapie
Wie die Umwelt durch wenige Maßnahmen geschont werden kann
Mehrweg statt Müllberg - wie medizinische Einrichtungen und Menschen mit Diabetes die Umwelt durch wenige Maßnahmen schonen können
Moderne Diabetestechnologien und Hilfsmittel wie Insulinpens, Sensoren und Insulinpumpen verbessern die Diabetestherapie zum Wohle der Betroffenen. Gleichzeitig erzeugen diese Hilfsmittel aber auch enorme Mengen an Abfall. So entstehen allein in Deutschland aktuellen Schätzungen zufolge jährlich rund 1,2 Milliarden Abfallteile. Studien zeigen jedoch: Nachhaltige Lösungen können Müll reduzieren und gleichzeitig Kosten sparen. Der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e. V. (VDBD) thematisiert dieses wachsende Problem in der Diabetesversorgung in einer Fortbildungsveranstaltung am 18. Oktober 2025 in Essen. Damit will der Verband das Bewusstsein für ressourcenschonende Möglichkeiten schärfen - bei Gesundheitsfachkräften und Ärztinnen, Ärzten, aber auch Menschen mit Diabetes selbst.
In einer deutschen Praxisstudie[1] sammelten 80 Menschen mit Diabetes in nur drei Monaten über 23.000 Einzelteile an Therapieabfällen, darunter Teststreifen, Nadeln, Sensoren und Pens. Hochgerechnet ergibt das jährlich über 1 Milliarde Teile bundesweit. Ähnlich alarmierende Zahlen kommen aus den USA: Dort verursacht die Therapie mit einer Insulinpumpe durchschnittlich 1,2 Kilogramm Müll pro Monat - bei Mehrfachinjektionen sind es sogar 1,4 Kilogramm.[2] Die Diabetestherapie trägt damit zu etwa 2 Prozent des gesamten Haushaltsmülls bei, folgern die Studienautoren. "Die Zahlen verdeutlichen: Wir brauchen dringend nachhaltigere Lösungen - sowohl auf Herstellerseite als auch in den Praxen", betont Theresia Schoppe, stellvertretende Vorsitzende des VDBD, Diabetesberaterin, Oecotrophologin und Fitnesstrainerin aus Warstein. "Die Untersuchungen zeigen eindrucksvoll, wie groß der Müllberg einer Diabetestherapie tatsächlich ist - das hat auch viele Menschen mit Diabetes und Praxisteams, die unsere Untersuchung unterstützten, überrascht", ergänzt Privatdozent Dr. med. Sebastian Petry, Mitautor der deutschen Praxisstudie sowie Oberarzt und Leiter der Klinischen Forschungseinheit am Universitätsklinikum Gießen.
Die beiden Experten setzen sich in der Arbeitsgemeinschaft "Diabetes, Umwelt & Klima" der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) dafür ein, nachhaltige Lösungen in der täglichen Arbeit mit Menschen mit Diabetes zu finden.[3]
Wiederverwendbare Systeme sparen Plastik und Kosten
Ein Ansatz, um Müll zu reduzieren, sind mehrfach verwendbare Insulinpens. Eine britische Untersuchung zeigt, dass deren Einsatz bis zu 95 Prozent des bei der Diabetestherapie entstehenden Plastikmülls einsparen und gleichzeitig die Behandlungskosten senken kann.[4] Gerade moderne Systeme wie kontinuierliche Glukosemessung (CGM) oder Insulinpumpen lassen den Abfallberg durch häufigen Wechsel zusätzlich wachsen. "Für Menschen mit Diabetes und ihre Behandlungsteams gibt es bislang kaum Spielraum, bei Pens auf Nachhaltigkeit zu achten. Wo medizinisch möglich, könnten wiederverwendbare Pens die Abfallmenge senken. Auch Einweg-Pens verursachen weniger Abfall, wenn sie größere Füllmengen oder höhere Insulinkonzentrationen enthalten, langwirksame Insuline mit längeren Dosierungsintervallen eingesetzt werden oder die Pens langlebiger sind“, regt Petry an. "Es geht nicht darum, Menschen mit Diabetes zu stigmatisieren und ihnen Umweltverschmutzung vorzuwerfen - moderne Hilfsmittel sind unverzichtbarer Bestandteil des alltäglichen Diabetesmanagements", betont Petry. Es sollten vielmehr mit allen an der Diabetesversorgung Beteiligten Lösungen und Wege gefunden werden, die Therapie nachhaltiger zu gestalten und so langfristig zu sichern.
Jede(r) kann etwas tun: Kleine Schritte mit großer Wirkung
Medizinische Einrichtungen sowie Menschen mit Diabetes können im Alltag die Umwelt mit einfachen Gewohnheiten schonen: "Beispielsweise lassen sich Verpackungsmaterialien bewusst trennen oder Elektronikkomponenten wie Sensoren über Sammelstellen zurückgeben", betont Schoppe.
Tipps zur richtigen Entsorgung:
- Pen-Nadeln, Lanzetten & Spritzen: In einem stichfesten Abwurfbehälter sammeln, verschließen und über den Hausmüll entsorgen.
- Fertig-Pens & Insulinampullen: Leere Pens in den Hausmüll, sofern keine Recyclingprogramme bestehen. Abgelaufene Medikamente z.B. in Apotheken abgeben, alternativ ebenfalls über den Hausmüll entsorgen.
- Glukosesensoren & Patchpumpen: Diese zählen zu Elektroschrott und gehören an Wertstoffhöfe oder Sammelstellen, nicht in den Hausmüll.
- Verpackungen: Nach Möglichkeit trennen - Papier von Kunststoff abziehen und getrennt entsorgen.
Politik in der Verantwortung
"Für eine umweltschonende Müllvermeidung und -entsorgung braucht es mehr als das individuelle Engagement", so Schoppe. Die Politik ist gefordert klare Rahmenbedingungen zu setzen: gemeinsame Recyclingprogramme, Anreize für Hersteller zu "Eco-Design" sowie eine bessere Aufklärung der Menschen mit Diabetes zusammen mit deren sozialem Umfeld in den Praxen.[5]
VDBD-Veranstaltung "Nachhaltig gut beraten"
Um Praxisteams konkrete Wege für ressourcenschonendes Handeln aufzuzeigen, organisiert der VDBD die Fortbildungsveranstaltung "Nachhaltig gut beraten". Sie findet am 18. Oktober 2025 in Essen statt und bietet Keynotes, Workshops und praxisnahe Tipps rund um Klima- und Gesundheitsschutz. Interessierte können sich hier anmelden.
Quellen
Petry, Sebastian et al., Diabetes Technology and Waste: A Real-World Study in a Specialized Practice in Germany. J Diabetes Sci Technol. DOI: 10.1177/19322968241257004 journals.sagepub.com/home/dsthttps://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/19322968241257004
Klonoff, D. C., Quantifying Environmental Waste From Diabetes Devices in the U.S. Diabetes Care, 2025 Jul 1;48(7):1198-1203.https://doi.org/10.2337/dc24-2522
Heinemann L, Unsöld C, Krüger M, Petry SF: "Round Table" der AG Diabetes, Umwelt & Klima. Diabetes-Forum 2025; 37: 14-16.
Simpson, V., Switching to reusable cartridge insulin pens can reduce National Health Service costs while delivering environmental benefits. Diabet Med. 2024 Oct;41(10):e15409. doi: 10.1111/dme.15409. Epub 2024 Jul 16. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/dme.15409
Heinemann L, Unsöld C, Petry SF: Recycling Insulin Pens: A Call for Action! J Diabetes Sci Technol 2025; 19322968251358229. doi: 10.1177/19322968251358229
Weitere Infos:
www.arzneimittelentsorgung.de
Empfehlungen der DDG AG "Diabetes, Umwelt und Klima" zur Entsorgung von Diabetesmedikamenten und Hilfsmitteln
Bildunterschrift: So viel Müll - nur durch einen Katheter- und Kartuschenwechsel.
Bildquelle: www.diabsite.de.
