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Kongresshighlights - Kongressmotto, neue Kongressformate, Themenschwerpunkte
Stattement von Professor Martin Heni, Kongresspräsident Diabetes Kongress 2025, Leiter der Sektion Endokrinologie und Diabetologie, Innere Medizin I, Universitätsklinikum Ulm, im Rahmen der Pressekonferenz im Vorfeld des Diabetes Kongresses 2025 der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) am 22. Mai 2025 online.Schaltzentrale Gehirn: neue Erkenntnisse zur neuronalen Steuerung von Essverhalten und Stoffwechselprozessen
Das Gehirn ist nicht nur ein kognitives Zentrum, sondern auch ein integraler Bestandteil der Stoffwechselregulation. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass das zentrale Nervensystem über hormonelle und neuronale Signale maßgeblich daran beteiligt ist, wie der Körper Energie verarbeitet, speichert und verteilt. Besonders die zentrale Wirkung des Hormons Insulin rückt dabei in den wissenschaftlichen Fokus.
Störungen in dieser Signalverarbeitung stehen im Zusammenhang mit ungünstiger Körperfettverteilung, metabolischen Erkrankungen und langfristigen Komplikationen.
Die Rolle des Gehirns in der Regulation des Stoffwechsels rückt zunehmend in den Fokus der Diabetesforschung. Neben seiner bekannten Bedeutung für Kognition und Verhalten wirkt das Gehirn aktiv an der Steuerung von Appetit, Energiehaushalt und Glukosemetabolismus mit.
Zentral dabei ist die Wirkung des Hormons Insulin im Gehirn: Insulin gelangt nach der Nahrungsaufnahme über den Blutstrom in das Gehirn, wo es spezifische Rezeptoren in Regionen wie dem Hypothalamus oder dem limbischen System aktiviert. Dies beeinflusst unter anderem das Essverhalten, die Glukoseproduktion der Leber, die Glukoseaufnahme in Muskel- und Fettgewebe sowie die Insulinsekretion aus der Bauchspeicheldrüse.
Das zentrale Nervensystem integriert hormonelle, sensorische und emotionale Reize, um zu steuern, was, wann und wie viel gegessen wird - ein Zusammenspiel, das in der Adipositas- und Stoffwechselforschung zunehmend berücksichtigt wird.
Insulin im Gehirn wirkt appetitzügelnd und trägt dazu bei, die Nahrungsaufnahme nach dem Essen zu begrenzen. Eine gestörte zentrale Insulinwirkung kann daher mit einem übermäßigen Verlangen nach hochkalorischer Nahrung einhergehen.
Störungen der zentralen Insulinwirkung (brain insulin resistance) tragen zudem zu Stoffwechselstörungen, Gewichtszunahme und insbesondere einer ungünstigen Körperfettverteilung mit Zunahme viszeraler Fettdepots bei. Insulinresistenz des Gehirns ist zudem ein Risikofaktor für neurodegenerative Erkrankungen.
Neue Erkenntnisse zeigen: Nicht allein der Body-Mass-Index (BMI), sondern die Verteilung des Körperfetts spielt eine entscheidende Rolle für das metabolische Risiko. Das Gehirn scheint als zentrale Instanz in der Regulation dieser Fettverteilung zu wirken - ein Mechanismus, der bislang unterschätzt wurde.
Erste Interventionsstudien weisen darauf hin, dass körperliche Aktivität und bestimmte medikamentöse Ansätze die Insulinwirkung im Gehirn verbessern können - mit positiven Auswirkungen auf den Stoffwechsel im gesamten Körper.
Auch andere Hormone wie Inkretine (zum Beispiel GLP-1) sind wichtig für die Kommunikation zwischen Peripherie und Gehirn. Sie wirken ebenfalls auf zentrale Steuerungsmechanismen und werden mittlerweile erfolgreich therapeutisch genutzt.
• Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse erweitern unser Verständnis zentraler pathophysiologischer Mechanismen. Auch wenn sie noch nicht unmittelbar in die klinische Praxis überführt werden können, eröffnen sie neue Perspektiven für eine zukünftig personalisierte Prävention und Therapie metabolischer Erkrankungen.
Quellen
Heni, M. (2024). The insulin resistant brain: impact on whole-body metabolism and body fat distribution. Diabetologia, 67(7), 1181-1191.
Kullmann, S., Goj, T., Veit, R., Fritsche, L., Wagner, L., Schneeweiss, P., … & Heni, M. (2022). Exercise restores brain insulin sensitivity in sedentary adults who are overweight and obese. JCI insight, 7(18), e161498.
Yamazaki, H., Tauchi, S., Machann, J., Haueise, T., Yamamoto, Y., Dohke, M., … & Heni, M. (2022). Fat distribution patterns and future type 2 diabetes. Diabetes, 71(9), 1937-1945.
Drucker, D. J. (2024). Efficacy and safety of GLP-1 medicines for type 2 diabetes and obesity. Diabetes Care, 47(11), 1873-1888.
Cliff, O. (2024). Why do obesity drugs seem to treat so many other ailments? Nature, 633(8031), 758-760.
Bildunterschrift: Professor Dr. med. Martin Heni
Bildquelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft/Dirk Deckbar