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Typ-1-Diabetes
Früherkennung reduziert diabetische Ketoazidosen
Diagnostik und Einteilung in Vorstadien der Hyperglykämie durch Antikörperbestimmungen
Die Fr1da-Studie, über die im DGE-Blog schon vor Jahren berichtet wurde zeigte, dass Kinder, die auf Vorstadien eines auf Typ-1-Diabetes (T1D) durch Antikörpermessungen nicht gescreent wurden, ein deutlich höheres Risiko für diabetische Ketoazidosen aufwiesen als die Kinder, deren T1D-Vorstadien durch Antikörperbestimmungen diagnostiziert wurden. Wenn die Vorstadien auch in Endokrinologen/Diabetologen-Kreisen wohlbekannt sind, so sollen sie im DGE-Blog mit ihren Definitione - im Sinne eines Repetitoriums - kurz präsentiert werden.
Typ-1-Diabetes (T1D) ist eine progressive Stoffwechselerkrankung, die fast immer autoimmun bedingt ist.[1] Die T1D-Diagnose erfolgt i. d. R. anhand der klinischen Symptomatik, wenn sich die Erkrankung bereits durch Hyperglykämie manifestiert und nur mehr wenige bis keine Betazellen mehr vorhanden sind. In letzter Zeit rücken nun die präsymptomatischen T1D-Stadien und deren Früherkennung ins Blickfeld. Der T1D durchläuft 3 Stadien: Von den präsymptomatischen Stadien 1 (mit Normoglykämie) und 2 (mit Dysglykämie) zur klinischen Manifestation im Stadium 3 (mit Hyperglykämie). Dabei sinkt im Laufe der Stadien 1 und 2 die Betazell-Masse ab. Es ist aber bereits in den präsymptomatischen Stadien 1 und 2 die Diagnostik mit nahezu 100 %-iger Sicherheit durch den Nachweis von ≥ 2 Autoantikörpern möglich.[4] Dies sind Antikörper gegen Insulin (IAA), die Antikörper gegen die Glutaminsäuredekarboxylase (GADA), die Tyrosinphosphatase- Antikörper (Insulinom-assoziierten Autoantikörper-2, IA-2A) und die Antikörper gegen den Zinktransporter 8 (ZnT8).
Kommentar
Die Fr1da-Studie
Die T1D-Früherkennung bei Kindern und ihre Beobachtung im weiteren Verlauf ist im Rahmen der Fr1da-Studie für Kinder im Alter von 2 bis 10 Jahren bereits in 4 Bundesländern möglich. Die Studie "Fr1da für Verwandte" ist sogar deutschlandweit implementiert.
Ziel der Fr1da-Studie ist es, das Auftreten einer diabetischen Ketoazidose bei Manifestation zu verhindern; darüber hinaus betont die S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter, dass mit der Früherkennung auch der optimale Zeitpunkt zur Initiierung einer Insulintherapie bestimmt werden kann.[1]
Psychische Belastung durch die Frühdiagnose eines T1D
Eine T1D-Diagnose stellt für die Eltern der Betroffenen eine große Herausforderung mit vielen Ängsten und Sorgen dar. In einer der Studien wurde gezeigt, dass etwa bei der Hälfte der Eltern nach einem positiven Test krankheitsspezifische Ängste auftreten und ca. ein Fünftel anfangs depressive Symptome entwickeln. Die Eltern sollen durch Früherkennungsprogrammen in multidisziplinärer Zusammenarbeit unterstützt werden. Dies wurde auch im Zuge der Fr1da-Studie untersucht: Erste Zwischenergebnisse zeigen, dass der Stress im Laufe der Beobachtungszeit deutlich abnimmt und zu allen Zeitpunkten niedriger ist als bei Eltern von Kindern ohne Früherkennung.
T1D-Früherkennung bei Erwachsenen
Wenn auch ein T1D die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kinder- und Jugendalter ist, manifestiert sich ein T1D auch oft erst im späteren Leben (s.u.). So liegt das mediane Diagnosealter bei 29 Jahren und es wird geschätzt, dass knapp zwei Drittel der neudiagnostizierten Fälle des T1D bei Menschen älter als 20 Jahre auftreten. Die Diagnose im Erwachsenenalter bedeutet eine besondere Herausforderung: Auch wenn die Symptomatik größtenteils der einer Manifestation im Kindesalter entspricht, wird anfänglich oft fälschlicherweise ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert. Ein weitbekanntes Beispiel dafür ist die frühere britische Premierministerin Theresa May, deren im 56. Lebensjahr aufgetretener Diabetes mit Metformin unter der Annahme eines Typ-2-Diabetes behandelt wurde und man deren Typ-1-Diabetes erst diagnostizierte, als ein diabetisches ketoazidotisches Koma aufgetreten war.
Bei einer späten Manifestation eines T1D bestehen jedoch gegenüber der frühen Manifestation einige Unterschiede:
- Die Zahl der Autoantikörper sinkt mit zunehmendem Alter, sodass Erwachsene im Gegensatz zu Kindern selten mehr als einen Antikörper (i. d. R. Glutamatdekarboxylase-Autoantikörper; GADA) aufweisen.
- T1D schreitet bei Kindern deutlich schneller voran als im Erwachsenenalter.
- Das Risiko für Diabetische Ketoazidosen nimmt mit zunehmendem Alter ab.
To screen or not to screen?
Während vor vielen Jahrzehnten in München durch Prof. Hellmut Mehnert eine Früherkennungsaktion der gesamten Bevölkerung auf "Diabetes" stattfand, ist man davon heute abgekommen und es werden nur Risikogruppen gescreent.
Wen soll man aber heute, wo dies möglich ist, auf Typ-1-Diabetes (Vorstadien) screenen? Die Arbeitsgruppe der zu den weltweit führenden Forschern auf diesem Gebiet zählenden Frau Prof. Anette G. Ziegler aus München mit Frau Prof. Sandra Hummel äußert sich dazu:
"Über 80 % der betroffenen Kinder und deren Eltern haben keine Verwandten mit Typ-1-Diabetes und damit oft keine Kenntnisse zu dieser Erkrankung; daher sind viele Familien mit jüngeren Kindern nur unzureichend oder gar nicht mit den Symptomen beim Ausbruch der Stoffwechselerkrankung vertraut. Aus diesem Grund erscheint ein populationsbasiertes Screening auf Inselautoantikörper zur Früherkennung von Typ-1-Diabetes dringend erforderlich!"
Helmut Schatz, Bochum
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Quellen
Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG). S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter. AWMF online 2023. Reg.-Nr.: 057-016; unter https://register.awmf.org/assets/guidelines/057-016lS3Diagnostik-Therapie-Verlaufskontrolle-Diabetes-mellitus-Kinder-Jugendliche_2023-11.pdf
Baechle C et al. Incidence and presentation of new-onset type 1 diabetes in children and adolescents from Germany during the COVID-19 pandemic 2020 and 2021: Current data from the DPV Registry. Diabetes Res Clin. Pract. 2023; 197:110559.
Hummel S et al. Children diagnosed with presymptomatic type 1 diabetes through public health screening have milder diabetes at clinical manifestation. Diabetologia. 2023;66(9):1633-1642.
Ziegler AG et al. Seroconversion to multiple islet autoantibodies and risk of progression to diabetes in children. JAMA 2013;309(23):2473-2479.
Hummel S et al.: Children diagnosed with presymptomatic type 1 diabetes through public health screening have milder diabetes at clinical manifestation. Diabetologia 2023;66(9):1633-1642.
Ziegler AG et al. Yield of a Public Health Screening of Children for Islet Autoantibodies in Bavaria, Germany. JAMA. 2020;323(4):339-351.
Bildunterschrift: Diabetes Typ 1.
Bildquelle: Monika Gause für www.diabsite.de.