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Krankenhausreform: Herausforderungen für die Weiterbildung und Versorgung

Statement von Prof. Dr. med. Baptist Gallwitz, Kongresspräsident Diabetes Kongress 2024 und Pressesprecher der DDG, Berlin, im Rahmen der 58. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) am 10. Mai 2024.

Was bedeutet die Krankenhausreform durch das Krankenhaus-Versorgungs-Verbesserungs-Gesetz (KHVVG) für die Diabetesversorgung und was fordert die DDG?

Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Kongresspräsident Diabetes Kongress 2024. Bereits heute hat jede fünfte Klinikpatientin und jeder fünfte Klinikpatient einen Diabetes mellitus - das entspricht etwa 3 Millionen stationären Behandlungen pro Jahr, Tendenz stetig steigend und betrifft häufiger ältere, multimorbide Menschen. Diese Patientengruppe ist in den allermeisten Fällen nicht wegen des Diabetes (Hauptdiagnose), sondern mit Diabetes (Nebendiagnose) im Krankenhaus stationär. Da die aktuelle Stoffwechsellage bei Diabetes jedoch unmittelbare negative Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf, das Operationsrisiko und auf perioperative Komplikationen hat, ist es besonders wichtig, dass diese Patientengruppe optimal versorgt ist und nicht "unter die Räder" kommt.

Einführung von Leistungsgruppen in die Vergütung von stationären Versorgungsleistungen  Fluch oder Segen?

Die DDG kritisiert, dass die bislang bekannten Eckpunkte zur Reform derzeit noch keine ausreichend qualifizierte Diabetesexpertise in allen Versorgungsebenen vorsehen und damit die Behandlungsqualität in Zukunft gefährden. Die prinzipielle Einführung von Vorhaltepauschalen begrüßt die DDG als einen absolut notwendigen Schritt. Sie warnt jedoch davor, dass der Bereich "Komplex Diabetologie/Endokrinologie" nach den vorgestellten Eckpunkten und den derzeit vorgelegten Planungen für die Leistungsgruppen wie schon vor der Reform unterfinanziert sein wird und nicht auskömmlich ist.

Grund hierfür ist, dass für die Berechnung der vorgesehenen Vorhaltepauschalen zum einen die DRGs zu 60 Prozent als Grundlage dienen und zum anderen, wie im bisherigen DRG-System auch, technische Interventionen besser vergütet werden sollten als "Sprechende Medizin". Die Vorhaltepauschalen decken daher nur einen Teil der Finanzierung ab und sind lediglich als Leistungsgruppen-bezogener Zu- oder Abschlag zu verstehen, in dem auch die Personalkosten nicht berücksichtigt sind. Insgesamt kommt nicht mehr Geld in das Finanzierungssystem der laufenden Fallkosten. Die DDG und andere Fachgesellschaften fürchten daher, dass Leistungsreduktionen tendenziell belohnt werden.

In Abhängigkeit der Krankenhausschwerpunkte und der in einem Krankenhaus angebotenen Zahl unterschiedlicher Leistungsgruppen, kann es daher zu einer möglichen Entwicklung von "Gewinnern" und "Verlierern" kommen.

Strukturdefizite gefährden Patientensicherheit und Sicherstellung der Expertise für die Versorgung

Lediglich 17 Prozent aller Kliniken in Deutschland halten derzeit eine ausreichende Diabetesexpertise vor. Der Grund dafür liegt in der knapp bemessenen Vergütung für viele Leistungen der diabetologischen Behandlung im derzeitigen DRG-System. Dies hat zur Folge, dass die stetig wachsende Anzahl an Diabetespatientinnen und Diabetespatienten oft nicht mehr leitliniengerecht behandelt wird, da qualifizierte Behandelnde in Kliniken fehlen. Das ist besonders dann der Fall, wenn die Betroffenen mit einer Diabeteserkrankung als Nebendiagnose aufgenommen werden und wegen einer anderen Behandlung stationär sind - eine Situation, die der häufigsten Konstellation entspricht.

Die Wichtigkeit der Krankenhausreform für die Aus- und Weiterbildung hat die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in ihrer Stellungnahme bereits ausführlich dargestellt. Die DDG führt hierzu ergänzend die folgenden Punkte an: Die Diabetologie als eigenständige Abteilung ist nur noch mit maximal 9 bettenführenden Lehrstühlen an den 38 staatlichen medizinischen Fakultäten in Deutschland repräsentiert. Eine ausreichende Aus- und Weiterbildung ist somit derzeit nicht mehr gewährleistet. Die DDG bekräftigt und unterstützt diesbezüglich die Empfehlungen des Wissenschaftsrates für die Weiterentwicklung der universitären Medizin aus dem Jahr 2021 (https://www.wissenschaftsrat.de/download/2021/9192-21).

Da die Regierungskommission die Diabetologie in Krankenhäusern der unteren Versorgungsstufe unter "Basisbehandlung Innere Medizin" derzeit subsummiert, ist nicht gewährleistet, dass jede Klinik auch eine speziell diabetologische Expertise aufweist. Auch die Trennschärfe zwischen der "Basisversorgung Innere Medizin" und der Leistungsgruppe "Komplex Diabetologie/Endokrinologie" ist unklar, genauso wie die Bemessung dieser Leistungsgruppen für medizinisches Personal.

Angesichts der steigenden Patientenzahlen ist außerdem die konsequente Förderung der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Diabetologie äußerst wichtig. Die DDG bringt sich im Schulterschluss mit anderen Fachgesellschaften maßgeblich in die Krankenhausreform ein und hat gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) wichtige Eckpunkte für die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität des Leistungskomplex Diabetologie/Endokrinologie definiert.

In der Diabetologie ist eine Besonderheit, dass es neben dem Facharzt für Endokrinologie/Diabetologie auch zahlreiche Ärzte und Ärztinnen der Inneren, Allgemeinmedizin und Pädiatrie mit der Zusatzbezeichnung "Diabetologie" (Diabetologin und Diabetologe DDG oder Landesärztekammern) gibt, welches ein Facharztäquivalent darstellt. In den Leistungsgruppen müssen diese Berücksichtigung finden.

Die bessere Verankerung der Diabetologie im Medizinstudium ist eine wesentliche Voraussetzung für alle weiteren Berufswege in der Medizin, denn Diabetes als Querschnittsfach greift in jede andere Fachrichtung ein. Im Lernzielkatalog fu?r den Studiengang Humanmedizin muss hierzu dringend nachgebessert werden.

Die DDG unterstu?tzt daher ausdrücklich die Forderungen der DGIM nach transsektoraler Versorgungsgestaltung unter besonderer Berücksichtigung der Allgemeinen Inneren Medizin und Stärkung der "Querschnittsfächer."

Des Weiteren sind wichtige Eckpunkte die Mindestanforderungen für die jeweilige medizinische Ausstattung und Personalplanung, die auskömmlich geplant werden müssen. Im Detail betrifft dies zum Beispiel Leistungen von der Closed-Loop-Insulindosierung, Diabetesschulungen, Konsile per Telemedizin, bis hin zur Behandlung von Kindern und Schwangeren mit Diabetes, von Patientinnen und Patienten mit diabetischem Fußsyndrom oder Menschen mit Diabetes und weiteren Folge- oder Nebenerkrankungen. Die Versorgungssicherheit und Behandlungsqualität müssen gewährleistet sein.

Diabetespatientinnen und Diabetespatienten müssen im Krankenhaus sicher und gut versorgt werden. Es muss unbedingt vermieden werden, dass durch die Reform die Diabetesversorgung vor allem in der Breite der mittleren und kleineren Krankenhäuser leidet. Bereits Anfang des Jahres 2023 hat die DDG deshalb ein Positionspapier mit einem 3-Punkte-Plan für eine sichere Diabetesversorgung veröffentlicht (s.a. https://www.ddg.info/politik/stellungnahmen/handlungsempfehlung-der-deutschen-diabetes-gesellschaft/kommission-digitalisierung-fuer-diabetesteams-in-ambulanten-und-stationaeren-versorgungseinrichtungen-zur-datensicherheit-und-zum-datenaustausch-1-1-):

Drei zentrale Forderungen der DDG:

  1. Sicherstellung strukturierter Diabetes-Erkennung und -Versorgung in allen Krankenhäusern! Qualitätssicherung durch DDG zertifizierte Versorgungsstrukturen und gesicherte Fort- und Weiterbildung.

  2. Schutz vulnerabler Gruppen! Für Kinder und multimorbide ältere Menschen mit einem Diabetes sowie Menschen mit Typ-1-Diabetes und Menschen mit diabetischem Fußsyndrom und anderen Folgeerkrankungen müssen multiprofessionelle Versorgungsstrukturen, zeitintensive Betreuung und Pflege gewährleistet sein.

  3. Gesicherte Finanzierung von nachgewiesener Versorgungsqualität! Krankenhäuser mit Diabetesbehandlungsstrukturen ("Diabetes-Units") müssen finanzielle Zuschläge erhalten. Unter "Diabetes-Unit" versteht die DDG ein Diabetesteam bestehend aus Diabetologinnen und Diabetologen, Diabetesberaterinnen und Diabetesberater, Diabetes-qualifizierten Pflegenden sowie gegebenenfalls, weiteren Fachdisziplinen für eine Behandlung in Spezialabteilungen und den Konsildienst. Solche spezialisierten Teams können zum Beispiel das Risiko für Amputationen um 29 Prozent senken und 65-70 Prozent aller Amputationen erfolgen zum Beispiel bei Menschen mit Diabetes. "Diabetes-Units" sind eine Grundvoraussetzung für die Krankenhäuser, in denen Begleit- und Folgeerkrankungen von Diabetes behandelt werden (zum Beispiel Kliniken mit interventioneller Kardiologie oder Neurologie) sowie Krankenhäuser, in denen durch Therapien in anderen Fachdisziplinen sekundäre Diabetesfälle neu auftreten können (zum Beispiel Abteilungen mit Pankreaschirurgie, Onkologische Abteilungen) oder sich bei vorbestehendem Diabetes die Stoffwechsellage aufgrund der Behandlung der Einweisungsdiagnose bei gleichzeitig bestehendem Diabetes verschlechtern kann. "Diabetes-Units" können gegebenenfalls. durch Kooperationen mit nahegelegenen Schwerpunktpraxen und/oder stationären Abteilungen sichergestellt werden.

Die DDG sieht die Notwendigkeit einer Krankenhausreform und begrüßt grundsätzlich die Ziele, die im jetzt vorliegenden Referentenentwurf für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) formuliert sind: Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität, Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung fu?r Patientinnen und Patienten sowie Entbürokratisierung. Für den Erfolg des Reformvorhabens wird es jedoch entscheidend sein, die oben genannten Aspekte zu berücksichtigen und mit einfließen zu lassen. Die DDG unterstützt gerne im weiteren Prozess die Konkretisierung der von uns hier dargestellten Aspekte.

zuletzt bearbeitet: 09.08.2024 nach oben

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