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Therapie des Typ-1-Diabetes mit Pumpen und AID-Systemen

Statement von Prof. Dr. med. Andreas Neu, Senior Consultant an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Tübingen im Rahmen der gemeinsamen Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft (DGE) am 17. Juni 2024.

Herausforderungen für die Zukunft?

Diabetes Typ 1 ist keine 'Kinderkrankheit'. Seit der Jahrtausendwende hat die Insulinpumpentherapie in der Behandlung des Typ-1-Diabetes eine überragende Bedeutung gewonnen: Aktuell sind mehr als 60 Prozent aller Kinder und Jugendlichen und etwa 40 Prozent aller Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes mit einer Insulinpumpe versorgt. Während die Zahlen pumpenbehandelter Erwachsener eher allmählich steigen, sind sie im Kinder- und Jugendalter nahezu explodiert. Bei den unter 5-Jährigen werden aktuell mehr als 90 Prozent mit einer Insulinpumpe behandelt.

Als im Jahr 2016 durch einen G-BA-Beschluss die Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM-Systeme) verordnungsfähig wurden, hat dies innerhalb weniger Jahre zu einem kompletten Umbruch der Typ-1-Diabetes-Therapie geführt. Das Zusammenspiel von Glukosesensor und -pumpe mit einer automatisierten Insulindosierung (AID-System) hat die Typ-1-Diabetes-Therapie revolutioniert. Mehr als 30 Prozent der unter 5-Jährigen nutzen heute ein AID-System, im Erwachsenenalter sind dies knapp 10 Prozent.

Die Vorteile dieser modernen Therapieform liegen auf der Hand und sind durch Beobachtungsdaten im DPV-System ausreichend dokumentiert und belegt:

  1. Die Stoffwechseleinstellung verbessert sich unter AID-Therapie signifikant. Insbesondere die nächtlichen Blutzuckerverläufe sind stabiler. Gefährliche Blutzuckerentgleisungen im oberen Bereich sowie Hypoglykämien werden reduziert.
  2. Das Handling des Diabetes wird für die Betroffenen einfacher: Lediglich die Menge an verabreichten Kohlenhydraten muss in das System eingegeben werden, daraus resultiert die Berechnung der Insulindosis durch das System. Selbst Änderungen in der körperlichen Aktivität lassen sich mit entsprechenden Algorithmen vorprogrammieren.
  3. AID-Systeme bieten ein hohes Maß an Sicherheit und entlasten Betroffene und deren Angehörige, insbesondere Eltern, bei der Therapieüberwachung.
  4. Die bessere Stoffwechseleinstellung reduziert das Risiko für Folgeerkrankungen. Dies führt bei den Betroffenen zu einer Reduktion der Angst vor gravierenden gesundheitlichen Einschränkungen im späteren Verlauf (Retinopathie, Nephropathie, Angiopathie).

Trotz aller Vorteile bleibt es eine große Aufgabe für Menschen mit Typ-1-Diabetes, sich um ihre Erkrankung zu kümmern, und trotz aller technischen Erleichterungen bedarf es einer guten Schulung im Umgang mit der Erkrankung und den therapeutischen Optionen und es bedarf der regelmäßigen Anwendung des technischen Equipments. Mit anderen Worten: AID-Systeme nutzen nur dann, wenn sie regelmäßig und korrekt angewandt werden. Im Alltag stehen das Mahlzeiten-Management, die Programmierung körperlicher Aktivität, außergewöhnliche Lebensumstände (Schwangerschaft) als Herausforderungen für die Träger von AID-Systemen im Vordergrund. Dies kann durchaus und trotz aller Erleichterung als "Diabetes-Distress" erlebt werden.

Auch für das Gesundheitssystem geht die Anwendung mit AID-Systemen mit großen Herausforderungen einher:

  1. Alle Mitglieder eines Diabetes-Teams müssen im Umgang mit diesen Systemen geschult und erfahren sein. Dies ist insbesondere deshalb eine Herausforderung, weil es zahlreiche solcher Systeme gibt und diese kontinuierlich modifiziert und verbessert werden, sodass eine fortlaufende Schulung des Personals große Ressourcen in Anspruch nimmt.
  2. Auch die Betroffenen brauchen eine umfangreiche Schulung und ein gewisses kognitives Verständnis für die technisch ausgefeilten Systeme; eine banale Grundvoraussetzung für die Vermittlung dieser Kenntnisse sind Sprachkenntnisse.
  3. Selektivverträge einzelner Kostenträger mit einzelnen Herstellern schränken den Zugang zu diesen Systemen ein. Grundsätzlich wäre ein Zugang aller Patienten zu allen Systemen unabhängig vom Kostenträger wünschenswert, um eine individuell passende Therapie für jeden einzelnen Patienten zu finden.
  4. Erhebliche Einschränkungen gibt es im frühen Kindesalter, weil (noch) nicht alle Systeme für diese Altersgruppe zugelassen sind und weil auch nicht alle Systeme für kleine Kinder geeignet sind. Deshalb haben ausgerechnet diejenigen, die am meisten von diesen Technologien profitieren könnten, das schlechteste Angebot zur Verfügung.
  5. Derzeit arbeiten die AID-Systeme mit unterschiedlichen Software-Lösungen. Interoperabilität ist nicht gegeben und wäre ein wichtiges Ziel zur Verwirklichung in der Zukunft aufseiten der Hersteller.

Insgesamt könnten weniger Bürokratie und regulatorische Vorgaben, ein problemloser Zugang für alle Patientengruppen und eine gute Schulung durch kompetente Diabetes-Teams die Versorgungslage von Menschen mit Typ-1-Diabetes in der Zukunft noch einmal deutlich verbessern. Dies liegt im Interesse aller Betroffenen und auch im Interesse der Fachgesellschaft, der Deutschen Diabetes Gesellschaft.

Es gilt das gesprochene Wort!

Quellen

  1. Thomas A: rtCGM- und AID-Systeme für alle – Chance für einen langfristigen Therapieerfolg? Kompendium Diabetes 2024: 47-53
  2. Gehr B, Gölz S: Automatische Insulinabgabesysteme. Diabetologie und Stoffwechsel 2024: 19(02):113-127
  3. Prinz N, Holl RW: Aktuelle DPV-Registerdaten zur Versorgungslage von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes. Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2023: 217-227

Bildunterschrift: Typ-1-Diabetes
Bildquelle: Monika Gause für www.diabsite.de

zuletzt bearbeitet: 20.07.2024 nach oben

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