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Patientenleitlinie zu Operationsmöglichkeiten bei Adipositas

Was Betroffene über mögliche Eingriffe wissen sollten

Immer mehr Menschen in Deutschland sind übergewichtig oder adipös, also krankhaft fettleibig. Damit steigt auch die Zahl der Patienten mit einem Typ-2-Diabetes, denn die Adipositas ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für diesen Diabetestyp. Umgekehrt kann sich der Zuckerstoffwechsel verbessern, wenn Patienten es schaffen Gewicht zu verlieren - auch wenn dies durch einen chirurgischen Eingriff geschieht. Eine neue Patientenleitlinie zur Chirurgie der Adipositas widmet sich daher ausführlich auch dem metabolischen Aspekt der möglichen Operationen. Der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e.V. (VDBD) begrüßt die Veröffentlichung als fachlich fundierte und verständliche Orientierungshilfe für Betroffene und Angehörige. Damit unterstütze die Leitlinie auch die Arbeit der Diabetesberaterinnen und -berater und Diabetesassistentinnen und -assistenten, die die Patienten durch ihre Krankheit begleiten.

Für Diabetesberaterinnen und -assistentinnen gehört der Umgang mit übergewichtigen Menschen zum Berufsalltag - immerhin leiden viele der an Diabetes erkrankten Patienten an einem Typ-2-Diabetes, und dieser kann oftmals auf mangelnde Bewegung, übermäßige Kalorienzufuhr und daraus resultierendes Übergewicht zurückgeführt werden. In der Diabetes-Therapie steht daher zwar zunächst eine gute Blutzuckereinstellung im Vordergrund, parallel dazu werden aber, sofern notwendig, immer auch Möglichkeiten zur Gewichtsreduktion angesprochen. "An erster Stelle steht dabei das sogenannte Basisprogramm aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie", sagt Lars Hecht, Vorstandsmitglied des VDBD und Wissenschaftlicher Leiter der VDBD AKADEMIE. Erst wenn diese Therapiemöglichkeiten erfolglos bleiben und der Blutzucker auch medikamentös nicht gut kontrolliert werden kann, kommt ein chirurgischer Eingriff zur Verbesserung der Stoffwechselsituation infrage. Eine Ausnahme hiervon bilden Patienten mit einem hohen BMI von mehr als 40 kg/m2; hier empfiehlt die Leitlinie eine Operation auch unabhängig von der Blutzuckereinstellung.

In der Adipositas-Chirurgie kommen mehrere unterschiedliche Operationsverfahren zum Einsatz - vom einfachen Magenband, das von außen um den Magen gelegt wird und das Magenvolumen verringert, über eine operative Verkleinerung des Magens bis hin zu komplexeren Bypass-Eingriffen, die den Nahrungsbrei um den Magen und Teile des Dünndarms herumleiten und so die Aufnahme von Nährstoffen begrenzen. "Dabei gilt vereinfacht gesagt: Je aufwändiger das Verfahren, desto besser sind die Ergebnisse, aber desto mehr Nebenwirkungen und Risiken sind auch damit verbunden", sagt Hecht.

Neben den Operationsverfahren thematisiert die Leitlinie auch Ausschlußfaktoren, die einen chirurgischen Eingriff nicht ratsam erscheinen lassen. Hierzu zählen körperliche Faktoren wie eine bestehende oder unmittelbar geplante Schwangerschaft oder eine unbehandelte hormonelle Störung. Auch psychische Störungen können ein Grund sein, von einer Operation abzuraten. "Patienten mit einer Adipositas leiden zum Beispiel häufiger an Depressionen oder an Essstörungen als Normalgewichtige", sagt Professor Dr. Claudia Luck-Sikorski vom Integrierten Forschungs-und Behandlungszentrum (IFB) AdipositasErkrankungen der Universität Leipzig und der SRH Hochschule für Gesundheit, eine der Autorinnen der Patientenleitlinie. Patienten in labilem psychischem Zustand, mit einer unbehandelten Ess-Brech-Sucht oder mit einer bestehenden Alkohol- oder Drogenabhängigkeit sollten vor einer Operation zunächst psychotherapeutisch stabilisiert werden.

Nicht zuletzt hängen Operations- und Therapieerfolg auch davon ab, wie mit Adipositas-Patienten umgegangen wird. "In der Gesellschaft wird Übergewicht noch immer oft mit Faulheit und Willensschwäche assoziiert", sagt Luck-Sikorski. Selbst Ärzte und Therapeuten seien vor solchen Vorurteilen nicht gefeit und sollten sich bewusst dagegen wappnen. Denn jede Stigmatisierung wirke auf die Patienten zurück, nehme ihnen das Selbstvertrauen und führe letztlich zu einer Selbst-Stigmatisierung. "Im schlimmsten Fall ist das der Einstieg in einen Teufelskreis, der über Essstörungen wie Frustessen oder Binge-Eating zu einer neuerlichen Gewichtszunahme führt."

Die Patientenleitlinie zur Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen ist im Internet frei zugänglich unter https://www.awmf.org/leitlinien/…

zuletzt bearbeitet: 15.09.2020 nach oben

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