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Brotbacken für die Wissenschaft

Weniger oxidativer Stress bei Diabetes durch Extrakte aus der Brotkruste?

In einem vom Land Sachsen-Anhalt geförderten Projekt von Prof. Andreas Simm (Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) soll herausgefunden werden, welche Brotkruste sich als Basis für ein Nahrungsergänzungsmittel eignet

Prof. Andreas Simm beim Brotbacken Man könnte meinen, das Projekt von Prof. Andreas Simm ist eine spontane Idee gewesen, beim Frühstück entstanden. Stattdessen ist sie "regelrecht historisch", wie er sagt. Schon von 1990 bis 2000 hat er an der Universität Würzburg über Signaltransduktion geforscht und ist dabei mit dem Thema glykierte Proteine in Kontakt gekommen - und mit Brot als "Forschungsobjekt". Denn in Brot sind sogenannte AGE enthalten. AGE steht für Advanced Glycation Endproducts, also Glukose-Fett- oder Glukose-Eiweiß-Verbindungen. Mittlerweile ist Prof. Simm seit 16 Jahren Leiter des Forschungslabors der Klinik für Herzchirurgie des Universitätsklinikums Halle (Saale) und greift die Brot-Idee wieder auf. Sein Projekt nennt sich "Backwaren als Functional Food: neuronaler Schutz vor stressinduziertem Zelltod".

Darin soll herausgefunden werden, welche Effekte AGE aus der Nahrung auf degenerative Erkrankungen haben. Vorarbeiten haben gezeigt, dass AGE-reiche Extrakte aus der Brotkruste Zellen vor oxidativem Stress schützen können, wie er beispielsweise bei Diabetes, Alzheimer, Operationen oder Gewebeschäden nach einer Sauerstoffunterversorgung (Ischämie-Reperfusionsschäden) in Zellen entsteht. Die verzuckerten Eiweiße bringen Zellen dazu, dass sie ihr eigenes Abwehrsystem gegen den Stress aktivieren.

"Beim Backen bilden sich die modifizierten Eiweiße", erklärt der Biologe. In der Brotkruste seien dabei deutlich mehr AGE enthalten als in der Krume. Beim Essen werden diese veränderten Eiweiße dann freigesetzt. Und dabei gilt "je dunkler, desto mehr AGE", aber verbrannt darf es nicht sein. Deswegen besteht ein Teil des Projektes darin, herauszufinden, wie dunkel gebacken die Kruste sein muss.

Auch muss untersucht werden, welche traditionelle Getreidesorte und welche Backtemperatur das beste Ergebnis liefern. Dazu werden in einer Bäckerei viele verschiedene Brote standardisiert gebacken. "Wir fangen mit den Sorten an, die in Deutschland angebaut werden, also unter anderem Dinkel, Hafer, Weizen, Roggen", sagt Prof. Simm. Wenn sich dann zwei Sorten als besonders geeignet zeigen, wird mit diesen Teigen ebenfalls standardisiert getestet, welche Backtemperatur und Backzeit am besten sind. "Es werden insgesamt bestimmt 100 Laib Brot werden", schätzt Prof. Simm, der auch selbst schon mal seinen eigenen Sauerteig angesetzt und damit Brot gebacken hat.

Ein großes Ziel sei, aus der Kruste ein Nahrungsergänzungsmittel zu entwickeln, mit dem man seine Abwehr sozusagen trainieren könne. Bei Demenz, die der Fokus der "Autonomie im Alter"-Projekte ist, bei der Nervenzellen absterben, aber auch bei Lungentumorzellen könnte eine solche AGE-Therapie eventuell helfen. Sie könnte dazu führen, die zelleigene Abwehr zu induzieren beziehungsweise das Wachstum des Tumors zu hemmen. "Die Frage, der wir auch nachgehen, ist, welche Version die wirksamste wäre, die beides kann", blickt Prof. Simm voraus. Auch müsse dann untersucht werden, welche Menge und in welchen Abständen man diese nehmen müsste. "Der Körper muss zwischendurch reagieren können, so dass eine tägliche Einnahme nicht sinnvoll ist. Das ist wie beim Sport, da muss der Muskel auch Zeit haben, auf eine Beanspruchung zu reagieren", erklärt Prof. Simm.

Bildunterschrift: Prof. Andreas Simm beim Brotbacken
Bildquelle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Foto: Universitätsklinikum Halle (Saale) UKH

zuletzt bearbeitet: 07.12.2016 nach oben

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