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Neue Erkenntnisse zum diabetischen Fußsyndrom

Abstract zum Vortrag von Dr. med. Florian Thienel im Rahmen einer Pressekonferenz zur DDG-Herbsttagung 2008.

Wie können wir die Amputationsrate senken?

Dr. med. Florian Thienel Nach Schätzungen der International Working Group on the Diabetic Foot fällt weltweit alle 30 Sekunden eine untere Gliedmaße einer Amputation als Folge eines Diabetes mellitus zum Opfer. Die Kosten einer Amputation betragen cirka 30.000 bis 60.000 US-Dollar, wobei der Hauptanteil auf die Zeit nach der Amputation entfällt.

Auch in Deutschland werden noch immer bei einer größeren Zahl von Menschen mit Diabetes mellitus Amputationen an Füßen oder Beinen durchgeführt als in anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden, Dänemark oder Spanien.

Mit ihren Aktivitäten engagiert sich die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) auf verschiedenen Ebenen für eine Senkung der Amputationsrate bei Diabetikern. Eine eigene Arbeitsgemeinschaft ("AG Fuß") bündelt die Aktivitäten der DDG-Mitglieder in diesem Feld. Sie hat Qualitätskriterien für die Behandlung des Krankheitsbildes aufgestellt und zertifiziert ambulante und stationäre Einrichtungen nach diesen Standards.

Eine Expertengruppe der DDG veröffentlichte 2008 ein Update der Leitlinie "Diabetisches Fußsyndrom", in die der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zu diesem Krankheitsbild eingearbeitet wurde. Diese Leitlinie stellt für Ärzte aller Versorgungsebenen die wissenschaftlich abgesicherten Grundlagen der Vorbeugung und Behandlung eines Diabetischen Fußsyndroms dar. Sie ist über die Homepage der DDG allgemein zugänglich.

Jeder sechste Diabetiker entwickelt im Verlauf seines Lebens ein Fußgeschwür. Chronische Fußwunden sind mit ihren Komplikationen bei Diabetikern in der weit überwiegenden Zahl der Fälle die Ursache für eine Amputation. Würden diese Wunden verhindert oder zumindest rechtzeitig von Patienten, Pflegenden oder behandelnden Ärzten entdeckt und leitliniengerecht behandelt, könnte ein erheblicher Anteil von Amputationen vermieden werden.

Auch auf dem Herbstkongress für praktische Diabetologie der DDG in Berlin bildet das Thema der möglichst effizienten Vorbeugung und Behandlung des Diabetischen Fußsyndroms einen Schwerpunkt.

Die Entwicklung chronischer Fußwunden wird bei Menschen mit Diabetes mellitus durch das Vorhandensein verschiedener Faktoren begünstigt. Aufgrund einer diabetesbedingten Schädigung der Nervenfasern, die Druck, Berührung und Schmerzen vermitteln, werden Verletzungen oder Druckstellen aufgrund von unpassendem Schuhwerk oder Hornhautschwielen nicht mehr gespürt.

Die Nervenschädigung führt daneben über einen Verlust der Feuchtigkeitssekretion und einer gestörten Regulation des Blutflusses zu trockener, rissiger Haut, über die Keime eindringen können. Im Zusammenspiel von Gelenkversteifung und Verkürzung von Fußmuskeln kommt es zu einer Verformung des Fußes, so dass Druckbelastungen auf dafür nicht eingerichteten Punkten des Fußes die Entwicklung von Schwielen und schließlich Wunden verursachen. Bei einem Teil der Patienten spielen zusätzlich auch noch Störungen der Durchblutung aufgrund der mit Diabetes verbundenen Schädigungen der Schlagaderwände eine wesentliche Rolle im Rahmen der Entwicklung von Hautwunden und schweren Gewebeschäden. Als besonders schwerwiegend kann sich im Rahmen der Nervenschädigung auch eine Entzündung von Knochen und Gelenken des Fußes auswirken, die wahrscheinlich durch Mikroverletzungen ausgelöst wird und unbehandelt eine Deformierung des Fußes bewirkt.

Im Rahmen strukturierter und von der DDG zertifizierter Schulungen, wie sie von diabetologischen Praxen oder in spezialisierten Krankenhausabteilungen angeboten werden, werden aufgrund von Nerven- oder Gefäßschädigungen gefährdete Patienten möglichst noch vor Auftreten einer Wunde über die drohende Gefahr und die möglichen Vorbeugemaßnahmen wie tägliche Kontrolle der Füße, regelmäßige qualifizierte Fußpflege durch Podologen, geeignetes Schuhwerk, Behandlung sonstiger krankhafter Veränderungen des Fußes und zielwertnahe Blutzuckereinstellung informiert.

Kommt es allerdings zu einer Wunde, ist eine rasche, stadiengerechte Behandlung erforderlich, die neben der lokalen Wundtherapie, guter Blutzuckereinstellung und Infektionsbekämpfung eine Überprüfung und gegebenenfalls Verbesserung der Durchblutung durch radiologische oder gefäßchirurgische Maßnahmen sowie eine effiziente Druckentlastung eventuell auch durch fußchirurgische Maßnahmen erforderlich macht. Nach Abheilung einer Wunde steht die Vorbeugung der Entwicklung einer neuen Läsion u.a. durch geeignete Schuhversorgung, podologische Behandlungen und eine erneute Schulung des Patienten im Mittelpunkt.

Nachgewiesenermaßen wird die Zahl der Amputationen reduziert, wenn die Behandlung des Diabetischen Fußsyndroms im Zusammenspiel der verschiedenen Fachdisziplinen und Berufsgruppen in Form eines Netzwerks erfolgt. Beteiligt sind an diesem Netz unter anderem Hausärzte, Diabetologen, Gefäßchirurgen, Fußchirurgen, Diabetesberater, Podologen, Orthopädieschuhmacher. Je flüssiger der Informationsaustausch und die Abläufe innerhalb eines solchen Netzes sind, desto mehr profitieren die Patienten.

Auf Initiative bestehender Netzwerke wurden mit den Kostenträgern regional Verträge zu einer integrierten Versorgung des Diabetischen Fußsyndroms geschlossen. Diese Pilotprojekte haben sich erfolgversprechend entwickelt. Es ist zu wünschen, dass dieser Prozess nicht auf wenige Regionen beschränkt bleibt, sondern möglichst vielen Patienten mit chronischen Fußwunden zugute kommt, um auf längere Sicht die Amputationsraten in Deutschland weiter absenken zu können.

Bildunterschrift: Dr. med. Florian Thienel, Diabetes-Zentrum Quakenbrück.
Bildquelle: Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG)

zuletzt bearbeitet: 07.11.2008 nach oben

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