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Natürliche Darmhormone und ihre Abkömmlinge

Abstract zum Vortrag von Professor Dr. med. Burkhard Göke im Rahmen der Pressekonferenz anlässlich der 43. DDG-Jahrestagung am 03.05.2008 in München.

Was leisten die neuen Antidiabetika?

Professor Dr. med. Burkhard Göke Vor 100 Jahren vermutete Moore in der ersten Ausgabe des Biochemical Journal, dass im Darm Signalstoffe zu finden wären, die nach Nahrungsaufnahme den Blutzucker regulieren. Damals war noch nicht einmal das Insulin entdeckt worden. Es dauert 60 Jahre, bis die funktionelle Verbindung zwischen Darm und endokrinem Pankreas bewiesen wurde. Wesentliche Beiträge zur Forschung für diese neuen Arzneimittel wurden in Deutschland von den Forschern um den Göttinger Professor Werner Creutzfeldt geliefert.

Erst die Neueinführung moderner Radioimmunoassays erlaubte die Quantifizierung des sogenannten Inkretineffektes. Er beschreibt, dass die orale Aufnahme von Glukose über den Gastrointestinaltrakt etwa doppelt soviel Insulin freisetzt wie die intravenöse Infusion und das bei Erreichen vergleichbarer Blutzuckerspiegel. Der Inkretineffekt wird hauptsächlich durch die natürlichen Darmpeptidhormone Gastric Inhibitory Polypeptide (GIP und Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1) vermittelt.

Glukagon-like Peptide-1 (GLP-1), ähnlich wie GIP, ist ein Darmhormon, das nach Nahrungsaufnahme aus den L-Zellen des Darms in den Blutkreislauf freigesetzt wird. Es stimuliert die Insulinsekretion, hemmt die Freisetzung von Glukagon, verzögert die Magenentleerung und reguliert den Appetit. Postprandiale Hyperglykämien werden vermieden. Die Wirkung von GLP-1 auf die Insulinsekretion erfolgt nur bei erhöhten Glukosekonzentrationen, sodass unter GLP-1-Gabe keine Hypoglykämien auftreten künnen. Im Experiment schätzt GLP-1 die Insulinzellen des endokrinen Pankreas' vor dem Absterben (Apoptosehemmung) und begünstigt sogar das Nachbilden solcher Zellen. Insgesamt erscheint GLP-1 als vielversprechendes neues Therapeutikum zur Behandlung des Typ-2-Diabetes.

Studien zeigen zum Teil spektakuläre Therapieeffekte mit HbA1c-Normalisierung und Gewichtsabnahme in nennenswertem Umfang. Die Verwendung des natürlichen Hormons wird allerdings durch seine kurze Halbwertszeit limitiert. Es existieren jedoch zwischenzeitlich GLP-1-Analoga mit längerer Halbwertszeit: z. B. Liraglutide (NovoNordisk). Exendin-4 (Firmen Amylin/Lilly) ist ein natürliches Peptid aus dem Speichel der Echse Heloderma suspectum. Es weist eine hohe Aminosäuresequenzhomologie zu GLP-1 auf, bindet hochaffin an GLP-1-Rezeptoren und weist eine längere Halbwertszeit als natives GLP-1 auf. Klinische Studien mit synthetischem Exendin-4 an Typ-2-Diabetikern zeigten, dass das Peptid ein sehr gutes GLP-1-Mimetikum ist. Nach mehrwöchiger Gabe waren eine signifikante Reduktion des HbA1c sowie eine signifikante Gewichtsabnahme zu beobachten. Bei Patienten, die mit Sulfonylharnstoffen oder Metformin nicht mehr ausreichend behandelt werden konnten, führte Exendin-4 zu einer Verbesserung der Blutzuckereinstellung mit einer Reduktion des HbA1c. Wie bei GLP-1 trat als häufigste unerwünschte Wirkung eine milde bis mäßige Übelkeit auf. Die Zulassung für Exendin-4 zur Behandlung des Typ-2-Diabetes ist bereits erfolgt.

Hauptverantwortlich für den Abbau von GLP-1 ist das Enzym Dipeptidylpeptidase IV (DPP IV). Die Behandlung von Typ-2-Diabetikern mit DPP-IV-Hemmern (MSD: Januvia, Novartis: Galvus) verbesserte die Glukosetoleranz, wahrscheinlich nicht nur durch das Vorhandensein erhöhter postprandialer GLP-1-Spiegel. Auch andere Darmhormone werden mutmaßlich stabilisiert und verstärken den Therapieeffekt. In tierexperimentellen Studien stimulierte Metformin die Freisetzung von GLP-1. Die kombinierte Applikation von Metformin und DPP-IV-Hemmern führte zu erhöhten GLP-1-Spiegeln einhergehend mit einer verbesserten Glukosetoleranz, einer reduzierten Nahrungsaufnahme sowie einer Gewichtsabnahme. Diese Kombinationstherapie erscheint besonders geeignet für übergewichtige Typ-2-Diabetiker.

In einer aktuellen Metaanalyse werden die aus dem Inkretinkonzept formulierten Therapieansätze analysiert. Brauchbare HbA1c-Absenkungen finden sich für alle Agentien, der günstige Effekt auf den Gewichtsverlauf bei den Injektionsmedikamenten. Die zugelassenen Indikationen sehen für die oral verfügbaren DPP-IV-Hemmer die Kombi-Behandlung mit Metformin vor. Die Injektionsbehandlung mit Inkretinmimetika ist bislang angesiedelt nach Tablettenversagen vor Insulininjektion. Die aktuelle Zulassungssituation schöpft das Potenzial dieser Medikamente längst nicht aus.

(Es gilt das gesprochene Wort!)

Bildunterschrift: Professor Dr. med. Burkhard Göke, Direktor der Medizinischen Klinik II, Ludwig-Maximilians-Universität, Klinikum Großhadern der LMU, München.
Bildquelle: Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG)

Literaturhinweis

Amori RE, Lau J, Pittas AG: Efficacy and safety of incretin therapy in type 2 diabetes. Systematic review and meta-analysis. JAMA 2007; 298: 194-206.

zuletzt bearbeitet: 02.05.2008 nach oben

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