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Highlights vom Europäischen Kardiologenkongress

DGK-Präsident Prof. Heusch zieht Bilanz

Nachlese zum Kongress der European Society of Cardiology (ESC) vom 1. bis 5. September in Wien

Zwischen dem 1. und 5. September sind in Wien mehr als 25.000 Kardiologen zusammen gekommen, mehr als 2000 davon aus Deutschland. "Auf dieser Leistungsschau der europäischen Kardiologie fanden 351 medizinisch-wissenschaftliche Sitzungen statt, auf denen 4593 Vorträge gehalten wurden. Außerdem wurden 4929 Poster präsentiert", bilanziert Prof. Dr. Dr. h. c. Gerd Heusch (Essen), der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Insgesamt wurden rund 10.000 Original-Forschungsarbeiten eingereicht, 37 Prozent davon akzeptiert, nachdem sie von insgesamt rund 1000 Experten beurteilt worden waren.

Prof. Heusch: "Mit großem Interesse wurden in Wien neue Erkenntnisse zu Medikamenten-beschichteten Stents (Drug Eluting Stents, DES) erwartet, nachdem es in der Vergangenheit Hinweise darauf gegeben hatte, dass Patienten mit DES gegenüber Patienten mit Metallstents (Bare Metal Stents, BMS) eine höhere Sterblichkeit in Folge von späten Stent-Thrombosen aufweisen."

DES sind für stabile Situationen nicht gefährlich

So untersuchte ein Team um Stefan James (Uppsala Clinical Research Centre) die Daten von 35.266 im "Schwedischen Koronar-Angiographie and Angioplastie-Register" (SCAAR) erfassten Patienten, die in den Jahren 2003 bis 2005 in Schweden mit einem oder mehreren Koronarstents versorgt wurden - davon wurden bei 21.480 Fällen Metallstents und bei 13.786 Fällen DES verwendet. Endpunkte der Auswertung waren alle Herzinfarkte beziehungsweise alle Todesfälle bis Ende 2006. Das Fazit der Studienautoren: "Vier Jahre Follow-up weist nicht auf eine erhöhte Mortalität der mit DES behandelten Patienten im Vergleich zu mit BMS behandelten hin. Die DES-Behandlung war mit einem leicht erhöhten Risiko bezüglich Tod oder Myokardinfarkt nach den ersten sechs Monaten assoziiert, die jedoch durch eine verringerte Ereignis-Rate während der ersten sechs Monate kompensiert wurde."

Die früher berichtete erhöhte Todesrate im Zusammenhang mit DES, berichteten die Studienautoren in Wien, kam nur in den ersten Jahren nach ihrer Marktzulassung und -einführung vor, bei Patienten, die DES erst in einem späteren Stadium erhalten haben, war kein erhöhtes Risiko zu beobachten: "Wie diese Studie gezeigt hat, sind DES nicht gefährlich für stabile Situationen, doch nicht jeder Patient wird einen brauchen", so Prof. Heusch. "Doch sie sollten selektiv eingesetzt werden, wobei das individuelle Risiko eines Patienten für einen Wiederverschluss Berücksichtigung finden sollte ebenso wie seine Fähigkeit, Blutgerinnsel-hemmende Medikamente über einen längeren Zeitraum zu tolerieren sowie die erhöhten Kosten dieser Behandlung."

DES bei akutem Myokardinfarkt nur vorsichtig verwenden.

Eine Auswertung der Daten des Global Registry of Acute Coronary syndromEs (GRACE), die in 94 Spitälern aus 14 Ländern (Amerikas, Europa, Australien/Neuseeland) durchgeführt wurde, verglich das Zwei-Jahres-Überleben von Patienten, die mit DES oder BMS behandelt wurden. Das Überleben schien in den sechs Monaten nach Entlassung aus dem Krankenhaus sehr ähnlich zu sein, so Studienleiter Professor Gabriel Steg (Hôpital Bichat-Claude Bernard, Paris, France) in Wien, doch anschließend war die Sterblichkeit bei den mit DES behandelten Patienten höher. Dieser Unterschied war eindeutig bedingt durch Patienten mit akutem Myokardinfarkt und war assoziiert mit einem zunehmenden Risiko eines späten Reinfarktes, was einen Zusammenhang mit späten Stent-Thrombosen nahe legt. DES, so die Studienautoren, sollten bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt mit Vorsicht angewendet werden, zumindest bis mehr Evidenz über ihre Langzeit-Sicherheit mittels größerer Studien und Langzeit-Follow-up zusammengetregen warden kann.

Prof. Heusch: "Weil für solche Fragestellungen Registerdaten die realistischen sind, weil sie die tägliche Praxis spiegeln, bedürfen Sie der Ergänzung, um alle Aspekte mit gesicherten Daten belegen zu können. Auch die DGK hat ein solches Register gestartet, um unabhängige eigene Daten in diesem Kontext für die Bewertung zur Verfügung zu haben."

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Zentrales ESC-Thema Herzinsuffizienz

Das zentrale Thema des ESC 2007 war die Herzinsuffizienz (HI, "Herzmuskelschwäche"), insgesamt beschäftigten sich 53 Sessions damit. HI ist in den wohlhabenden Ländern der Erde die neue medizinische Herausforderung, sie ist heute die einzige schwere Herzerkrankung mit weiter steigender Häufigkeit - in der EU leiden bis zu rund 10 Millionen Menschen daran. 50 Prozent der Patienten mit der Diagnose Herzinsuffizienz sterben innerhalb von vier Jahren: Über 50 Prozent der Patienten mit "schwerer" Herzinsuffizienz - mit deutlichen Symptomen der HI und kurzfristig erforderlicher medizinischer Betreuung - sterben innerhalb eines Jahres. Die Sterberate der Patienten mit HI innerhalb von fünf Jahren ist höher als die der meisten Krebsarten, nur der Lungenkrebs hat eine noch kürzere Lebenserwartung als HI. Prof. Heusch: "Umso wichtiger ist eine angemessene medikamentöse und/oder nicht-medikamentöse Therapie der HI."

Auch Patienten mit fortgeschrittener chronischer HI profitieren von aerobem Ausdauertraining

Neu ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass auch Patienten mit fortgeschrittener chronischer HI (NYHA III b) von einem individuell angepassten, regelmäßigen aeroben körperlichen Ausdauertraining profitieren. In einer Studie der Universität Leipzig wurden insgesamt 37 Patienten aufwändig untersucht. Die Trainingsgruppe trainierte die ersten zwei bis vier Wochen stationär unter strenger ärztlicher Aufsicht. Im Anschluss trainierten die Patienten der Trainingsgruppe in häuslicher Umgebung täglich einmal für 30 Minuten auf dem Fahrradergometer.

Fazit: Die maximale Sauerstoffaufnahme unter Belastung verbesserte sich, die Auswurffunktion der linken Herzkammer zeigte nach drei Monaten Training eine deutliche Zunahme, die klinischen Symptome zeigten eine Verbesserung um mindestens eine Klassifikationsstufe. Das Training führte auch zu einer Zunahme kleiner Blutgefäße (Kapillarisierung) in der Arbeitsmuskulatur (Skelettmuskel), was zu einer ökonomischeren Nutzung der Muskelarbeit beitragen dürfte. "Dies ist nach Ansicht der Studienautoren wahrscheinlich teilweise das Resultat einer erhöhten Anzahl und einer verbesserten Funktion von zirkulierenden Stammzellen und Vorläuferzellen", so Prof. Heusch.. "Die durch das Training erreichte körpereigene Regeneration des Gewebes geht darüber hinaus mit einer Verbesserung der Belastungstoleranz einher."

Vitamin B hat sich in der Sekundärprävention nicht bewährt

Nach derzeitigem Wissen, berichteten in Wien die Autoren der norwegischen WENBIT-Studie mit 3090 Patienten, ist die Supplementierung von Vitamin B zur Sekundärprävention koronarer Herzkrankheit nicht gerechtfertigt.

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Neue Europäische Präventions-Empfehlungen: Formel "0-3-5-140-5-3-0" als Schlüssel zur Herzgesundheit

"Auf dem ESC 2007 wurden auch neue Empfehlungen zur Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen vorgestellt", berichtet Prof. Heusch. "Weil bei den meisten Menschen Herz-Kreislauferkrankungen auf eine Vielfalt von Risikofaktoren zurückgehen, ist die richtige Einschätzung des individuellen Risikos einer Person wesentlich, betonen die Studienautoren vom Adelaide and Meat Hospital (Dublin, Irland)."

Um das Herz gesund zu erhalten und Schlaganfällen und Herzinfarkten effektiv vorzubeugen, empfehlen die Experten gesunden Menschen, den Lebensstil nach der Formel "0-3-5-140-5-3-0" zu gestalten. Die Zahlen stehen für: 0: keine Zigaretten; 3: täglich drei Kilometer zu Fuß gehen oder 30 Minuten moderates körperliches Training; 5: fünf Portionen Obst oder Gemüse täglich; 140: weniger als 140 mmHg systolischer Blutdruck; 5: Gesamtcholesterin niedriger als 5 mmol pro Liter (das entspricht 190 mg/dl); 3: LDL-Cholesterin niedriger als 3 mmol pro Liter (das entspricht 116 mg/dl); 0: Vermeiden von Übergewicht und Diabetes.

Für Personen mit besonders hohem Risiko - zum Beispiel aufgrund eines früheren kardiovaskulären Ereignisses - gelten der neuen Empfehlung zufolge niedrigere Richtwerte, nämlich: Blutdruck von maximal 130/80 mmHg; Gesamtcholesterin unter 4,5 mmol pro Liter (175 mg/dl), idealer Weise unter 4 mmol pro Liter (155 mg/dl); LDL-Cholesterin unter 2,5 mmol pro Liter (100 mg/dl), idealerweise sogar unter 2 mmol pro Liter (75 mg/dl); Glukose unter 6 mmol pro Liter (100 mg/dl); Hämoglobin A1c: unter 6,5 Prozent.

Europäische Herzcharta

"Die neuen Präventions-Guidelines stehen im Einklang mit der Europäischen Herzcharta, die von der ESC und dem European Heart Network erarbeitet wurde und von der Europäischen Kommission und der WHO unterstützt wird", so Prof. Heusch. Risikofaktoren und Determinanten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollen sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene berücksichtigt werden, und die Politik soll gesundheitsförderndes Verhalten unterstützen. Die Charta sieht die Umsetzung der Richtlinien und Maßnahmen vor, die in hochrangigen politischen Dokumenten Europas wie den Ratsbeschlüsse zum Thema "Herzgesundheit" (2004), der "Luxemburger Erklärung zur Förderung der Herzgesundheit" (2005) und der WHO-Resolution zur Vorbeugung und Bekämpfung von nichtübertragbaren Krankheiten in der europäischen Region der WHO verankert sind. Gefördert werden sollen Maßnahmen und Richtlinien auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene.

Risikofaktoren und Determinanten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollen sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene berücksichtigt werden, heißt es in der Charta, und die Politik soll gesundheitsförderndes Verhalten unterstützen. "Die Unterzeichner der Charta sollen Maßnahmen fördern und unterstützen, die wesentlich zur Senkung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen", so Prof. Heusch. "Das ist aus Sicht der Kardiologie sehr zu begrüßen."

Diese Pressemitteilung wurde über den - idw - versandt.

zuletzt bearbeitet: 07.09.2007 nach oben

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