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"Gesundheit nach Maß?"
Interdisziplinäre Arbeitsgruppe "Gesundheitsstandards" legt Studie vor
Interdisziplinäre Arbeitsgruppe "Gesundheitsstandards" der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften legt am Freitag, 16. Juli 2004, eine Studie zu den Grundlagen eines dauerhaften Gesundheitssystems vor.
Im Sommer 1999 hat das Plenum der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe "Gesundheitsstandards" eingesetzt, die die dramatische Entwicklung des Gesundheitswesens analysiert und Reformschritte vorschlägt. Die Arbeitsgruppe hat jetzt die folgende Studie vorgelegt:
C.F. Gethmann, W. Gerok, H. Helmchen, K.-D. Henke, J. Mittelstraß, E. Schmidt-Aßmann, G. Stock, J. Taupitz, F. Thiele: Gesundheit nach Maß? Eine transdisziplinäre Studie zu den Grundlagen eines dauerhaften Gesundheitssystems. Akademie Verlag, Berlin 2004, 347 Seiten, Euro 69,90.
Die Studie "Gesundheit nach Maß?" wird am Freitag, 16. Juli 2004, 19 Uhr in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Jägerstraße 22/23, 10117 Berlin, Konferenzraum 5. OG, präsentiert.
Die Studie geht davon aus, dass sich das deutsche Gesundheitssystem, wie mehr oder weniger auch die Gesundheitssysteme der europäischen Nachbarländer, mit einer Vielzahl von Herausforderungen (wie demographischer Wandel, medizinischer Fortschritt, zunehmende Finanzierungsdefizite, Intransparenz der Finanzströme, unkoordinierte Versorgungs-, Finanzierungs- und Vergütungsstrukturen, Probleme des europäischen Wettbewerbsrechts) konfrontiert sieht. Dabei sehen die Autoren keine Möglichkeit, das gegenwärtige deutsche Gesundheitssystem durch systemimmanente Reparaturen weiter ökonomisch und politisch stabil zu halten.
Demzufolge versteht sich das vorliegende Memorandum nicht als eine weitere Stellungnahme zu den akuten Fragen der Sicherung und Verbesserung der gegenwärtigen deutschen gesetzlichen Krankenversicherung. Die Studie versucht vielmehr auf der Basis grundlegender philosophischer, rechtlicher, medizinischer und ökonomischer Überlegungen ein Modell zu entwickeln, das geeignet sein könnte, die Reformschritte aus dem gegenwärtigen System heraus zielorientiert anzuleiten.
Eckpunkte einer solchen grundlegenden Reform betreffen nach Meinung der Arbeitsgruppe ordnungspolitische Veränderungen, wie neue Partizipationsstrukturen, eine Mindestversicherungspflicht für alle Bürger mit Wahlfreiheit hinsichtlich des Versicherers, ferner eine neue Anbieterpluralität (die teilweise aus den bestehenden Gesetzlichen Krankenversicherungen hervorgehen kann) mit Kontrahierungszwang. Die Rolle des Staates soll sich in Richtung einer reinen Gewährleistungsaufsicht verändern.
Bezüglich der Finanzierung setzt sich die Studie für Personen- ("Kopf-") Pauschalen ein. Der soziale Ausgleich soll durch Übernahme der Pauschalen für die Kinder sowie Umverteilungsmaßnahmen bei niedrigen Einkommen erfolgen. Grundsätzlich soll das Gesundheitssystem (wie die anderen Sozialsysteme) durch mehr Kapitaldeckung gegen unvorhersehbare Ausschläge gesichert werden.
Die Studie tritt ferner für eine Veränderung der Vergütungsstrukturen im Wege einer Liberalisierung des Vertragsrechts ein. Dies schließt vor allem eine qualitätsorientierte Vergütung ein, durch die ein wesentliches Instrument der Qualitätssicherung medizinischer Leistungen geschaffen werden soll.
Die von der Arbeitsgruppe vorgestellte Konzeption beansprucht gewisse Dauerhaftigkeit in dem Sinne, dass sich aus systemimmanenten Gründen ständige Ad-hoc-Interventionen erübrigen. Ein echtes Versicherungssystem, wie es die Arbeitsgruppe vorschlägt, ist im Prinzip hinreichend plastisch, um sich neuen Herausforderungen anzupassen. Eine Grenze findet die Plastizität eines solchen Systems an dem (auch in dieser Studie uneingeschränkt bejahten) Sozialstaatsgebot, das unter anderem besagt, dass niemand unter ein gewisses soziales Niveau absinken soll.
Das Memorandum "Gesundheit nach Maß?" wurde vom Rat der Akademie in seiner Sitzung am 11.12.2003 "nostrifiziert" - d. h. als wissenschaftlichen Kriterien genügende Arbeit einer Akademie-Arbeitsgruppe angenommen.
Sprecher der Arbeitsgruppe
Prof. Dr. Dr. h. c. Carl Friedrich Gethmann
(Ordentliches Mitglied der BBAW; Philosophie, Ethik)
Mitglieder der Arbeitsgruppe
- Prof. Dr. Wolfgang Gerok
(Außerordentliches Mitglied der BBAW; Medizin, Innere Medizin) - Prof. Dr. em. Hanfried Helmchen
(Entpflichtetes Ordentliches Mitglied der BBAW; Medizin, Psychiatrie) - Prof. Dr. Klaus-Dirk Henke
(Volkswirtschaftslehre, Gesundheitsökonomie) - Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Jürgen Mittelstraß
(Ordentliches Mitglied der BBAW; Philosophie, Wissenschaftstheorie) - Prof. Dr. Peter Neuhaus
(Medizin, Chirurgie) - Prof. Dr. Jens Reich
(Ordentliches Mitglied der BBAW; Biologie, Bioinformatik) - Prof. Dr. Dr. h. c. Eberhard Schmidt-Aßmann
(Ordentliches Mitglied der BBAW; Rechtswissenschaften, Verwaltungsrecht) - Prof. Dr. Dr. h. c. Günter Stock
(Außerordentliches Mitglied der BBAW; Pharmakologie) - Prof. Dr. Jochen Taupitz
(Rechtswissenschaften, Zivilrecht)
Kooperationspartner
Ständige Gäste: Dr. Klaus Knabner (Volkswirtschaftslehre), Dr. Felix Thiele (Philosophie, Medizinethik).