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An der Universität Leipzig läuft eine Studie zu neuen Wegen der Diabetes-Typ-2-Therapie
Das beste "Rezept": Bewegung und gesunde Ernährung
Bewegung und gesunde Ernährung. Mit dieser naheliegenden aber bislang nicht systematisch praktizierten Therapie werden jetzt an der Medizinischen Klinik und Poliklinik III der Universität Leipzig Patienten behandelt, die unter Adipositas und zumeist schon dem daraus resultierende Diabetes Typ 2 leiden. Auskünfte zu diesem Projekt, das gemeinsam mit den Sportmedizinern der Fakultät für Sportwissenschaften durchgeführt wird, gaben Prof. Dr. Ralf Paschke, Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Nephrologie sowie sein Mitarbeiter Dr. Matthias Blüher.
Eingangs ein Wort zum Typ-2-Diabetes. Wie lässt sich diese Krankheit beschreiben? Und wie verbreitet ist sie in Deutschland?
Paschke: Diese Diabetes-Form nennt man auch "Alters-Diabetes", da die meisten Betroffenen älter als 50 Jahre sind. Bei den Patienten besteht ein relativer Insulinmangel, das heißt, es wird zwar noch körpereigenes Insulin produziert, jedoch nicht in der erforderlichen Menge. Der Typ-2-Diabetiker neigt häufig zu Übergewicht. Und andersherum sehen wir das Übergewicht als eine Vorstufe des Diabetes an. Da über Jahre hinweg keine spezifischen Beschwerden vorliegen, wird die Erkrankung oft nur "zufällig", beispielsweise während einer Routineuntersuchung, erkannt. In Deutschland zählen wir fast fünf Millionen Menschen mit Diabetes, über 90 Prozent davon leiden an Typ 2. Wir befürchten bis zum Jahr 2010 eine Verdopplung der Betroffenen. Und wenn sich nicht drastisch etwas ändert, stehen wir dieser Verdopplung nahezu machtlos gegenüber.
Die eindringliche und häufige Aufforderung an Menschen mit Übergewichtig und Typ-2-Diabetes, sich intensiv zu bewegen und auf eine entsprechende Ernährung zu achten, ist ja nicht neu. Worin besteht also der Wert ihrer aktuellen Studie?
Paschke: Die Aufforderungen waren zwar eindringlich und häufig, aber in der Regel unkonkret und für den Patienten im Alltag schwer umzusetzen. Wir helfen derzeit rund 200 Betroffenen, die sich in hier in stationärer oder bei niedergelassenen Kollegen in ambulanter Behandlung befinden, ihren Lebensstil grundlegend zu ändern. Das geht nicht mit allgemeinen Appellen und Handzetteln, sondern nur mit individueller Beratung. Die ambulanten Patienten beispielsweise kommen zwei- bis dreimal pro Woche zu uns, um unter Aufsicht der Sportmediziner zu trainieren. Das heißt sie bewegen sich am Fahrrad-, Ruder- oder Armkurbelergometer, nutzen Stepper, Laufband oder Seilzüge. Dabei werden ständig alle Vitalparameter kontrolliert, das subjektive Befinden erfragt und die Medikamentendosis immer wieder neu angepasst.
Die Studie läuft erst seit Oktober. Können Sie dennoch schon erste Ergebnisse vorweisen?
Blüher: Mich hat es überrascht, dass so viele unserer Patienten zur Stange halten und dass auch die begleitende Sprechstunde sehr intensiv genutzt wird. Das lässt auf Konsequenz beim geplanten selbständigen Training hoffen. Auch die statistischen Daten bewegen sich in eindeutige Richtung: Schon in der 12. Trainingswoche wird bei konstanter Zielherzfrequenz eine um durchschnittlich 17 Prozent höhere Leistung erbracht. 80 Prozent der Männer und 85 Prozent der Frauen sprechen davon, dass sie sich wohler fühlen.
Paschke: Dennoch sind nach wie vor nicht alle Fragen genügend beantwortet. Wir müssen unsere Empfehlungen noch besser auf den Punkt bringen, richtig handhabbare Rezepte entwickeln. Art, Dauer und Intensität der Belastung dürfen - vor allem mit Blick auf das spätere individuelle Training - nicht dem Empfinden des Patienten überlassen sein. Und wir verlieren auch nicht aus dem Auge, dass beispielsweise das für den gesunden Sportler limitierende Gefühl des Herzschmerzes von Diabetiker anders wahrgenommen wird.
Sie sagten vorhin, wenn sich nicht drastisch etwas ändert' ... Was müsste sich Ihrer Ansicht nach ändern?
Paschke: Ich sehe weniger ein medizinisches als ein gesundheitspolitisches Problem. Unser System ist nicht auf Prävention ausgelegt. Mit den Ergebnissen unserer Studie werden wir nächstes Jahr an die Krankenkassen herantreten und mit ihnen über die bislang nicht offiziell anerkannten - und finanzierten - Therapieformen wie kontrolliertes körperliches Training und Ernährungsberatung in der Diabetiker-Behandlung reden. 'Glücklicherweise' haben Übergewichtige zumeist auch degenerative Gelenkerkrankungen, so dass derzeit schon über diesen Umweg rezeptiert werden kann. Aber es deutet sich jetzt schon an, dass wir dem durch die Bewegungs-Therapie neu entstehenden Kostenfaktor eine wesentlich größeres Pendant entgegenstellen können: Die Einsparung von Medikamentenkosten.
Könnten Sie noch neue Patienten in die Studie einbinden?
Blüher: Noch sind unsere Kapazitäten erweiterbar. Und wir hoffen natürlich, im Bunde mit den Kassen ein flächendeckendes Netz ähnlicher Möglichkeiten anregen zu können.
Marlis Heinz