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Gesundheit hat ihren Preis

Pressemitteilung: Bundesärztekammer (BÄK)

Gastkommentar von Prof. Dr. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer (Braunschweiger Zeitung, 15.09.2003)

Wir als Ärzte haben den Gesetzesentwurf zur Gesundheitsreform im Grundsatz begrüßt, zugleich aber auch deutlich gemacht, wo wir Änderungsbedarf sehen. Positiv bewerten wir die stärkere Betonung der Eigenverantwortung der Versicherten und die Bereinigung des Leistungskataloges, insbesondere die Ausgliederung versicherungsfremder Leistungen. Die Anhebung der Tabaksteuer zur Finanzierung eben dieser Fremdleistungen findet nach wie vor unsere volle Unterstützung.

Wir sind auch froh darüber, dass die ursprünglichen Pläne des Bundesgesundheitsministeriums zur Etablierung einer Behördenmedizin in Deutschland ad acta gelegt wurden und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit als fachlich unabhängige Einrichtung nunmehr unter dem Dach der gemeinsamen Selbstverwaltung angelegt ist. Es scheint gelungen zu sein, die ausgeprägte Misstrauenskultur gegenüber uns Ärzten und auch gegenüber den Patienten, die den ursprünglichen Reformentwurf von Frau Ministerin Schmidt noch maßgeblich kennzeichnete, weitestgehend zurückgedrängt zu haben.

Für die Patienten ist es wichtig, dass die freie Facharztwahl weiterhin möglich ist und auch in Zukunft Fachärzte - ganz im Sinne eines freien Berufes - eine Zulassung für die vertragsärztliche Versorgung erhalten können. Gerade auch vor dem Hintergrund des zu befürchtenden Ärztemangels brauchen wir eine intakte Facharztebene, die eine wohnortnahe Versorgung erst möglich macht.

Dies gilt im Übrigen auch für die fachärztliche Versorgung im Krankenhaus. Hier gibt es schon jetzt erhebliche Probleme bei der Nachbesetzung von Arztstellen: Bundesweit sind etwa 4.800 Stellen vakant. Darüber hinaus sind zusätzliche Stellen notwendig, weil Bereitschaftsdienst nunmehr als bezahlte Arbeitszeit anzusehen ist und nicht - wie bisher noch im Arbeitszeitgesetz geregel - als Ruhezeit. Das hat jetzt der Europäische Gerichtshof entschieden. Es wird damit gerechnet, dass ca. 15.000 neue Stellen geschaffen werden müssen, um den europäischen Arbeitszeitvorgaben zu genügen.

Das Urteil schafft nicht nur Rechtssicherheit für die Ärztinnen und Ärzte, es bringt auch den Patienten mehr Sicherheit. Künftig werden sie darauf vertrauen können, nicht mehr von übermüdeten Ärzten im 30 Stunden-Dauereinsatz behandelt zu werden. Das EuGH-Urteil stoppt die Ausbeutung der Ärzte und wird hoffentlich zu einer deutlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen führen, die derzeit noch viele Medizinabsolventen von einer Tätigkeit in der Patientenversorgung abhalten.

Auch bei der Idee eines sogenannten "Ärzte-TÜVs" hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass dies nicht die adäquate Voraussetzung sein kann, Patienten zu behandeln. Wir Ärzte leisten heute schon mehr als ein vermeintlicher "Ärzte-TÜV" von uns verlangen könnte. In dem aktuellen Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform ist denn auch vorgesehen, dass die bereits etablierten freiwilligen Fortbildungszertifikate der Ärztekammern einen neuen Stellenwert als Pflichtnachweis in der vertragsärztlichen Versorgung bekommen. Damit ist sichergestellt, dass Inhalt und Umfang der Fortbildung sowie das Verfahren des Fortbildungsnachweises nach wie vor von denjenigen festgelegt werden, die es tatsächlich können, nämlich den Ärztekammern, und nicht von einer Behörde, wie ursprünglich vorgesehen.

Allerdings weist der Gesetzentwurf erhebliche Mängel im Bereich der sogenannten Qualitätssicherung auf. Nach dem jetzt vorgesehnen Verfahren geht es mehr um Kostenkontrolle als um Qualitätssicherung. Das hört sich zwar für den Versicherten zunächst verlockend an, ist aber für den Patienten mit Sicherheit ein Verlust. An dieser Stelle im Gesetz muss unbedingt nachgebessert werden. Denn ohne Ärztekammern ist Qualitätssicherung ärztlicher Arbeit völlig unzureichend.

Insgesamt betrachtet kann diese Reform nur ein erster Schritt sein. Denn die wirklichen Probleme, die langfristige Finanzierung des medizinischen Fortschritts angesichts einer älter werdenden Gesellschaft, sind nach wie vor ungelöst.

Gesundheit hat ihren Preis. Und wenn Reformen nicht zu Rationierungen und Diskussionen über Altersgrenzen für medizinische Behandlung führen sollen, dann ist Ehrlichkeit in der Bewertung des medizinischen Fortschritts für eine nachhaltige Gesundheitspolitik im Interesse der Patienten unabdingbar. Das sollten auch die handelnden Politiker - unabhängig von Wahlterminen - beherzigen.

zuletzt bearbeitet: 17.09.2003 nach oben

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