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Diabetes mellitus und Neurodegeneration

Freie Radikale eine Ursache

Wissenschaftler des Deutschen Institutes für Ernährungsforschung Potsdam Rehbrücke DIfE haben einen wichtigen Baustein in der Ursachenforschung des Typ-2-Diabetes (Altersdiabetes) gefunden. Der Diabetes mellitus ist durch einen Verlust von insulin-produzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse gekennzeichnet. Eine Ursache für den Zelluntergang könnte die chronische Schädigung durch freie Radikale, sie entstehen beim Zellstoffwechsel, sein.

Privatdozent Dr. Michael Ristow et al.[*] berichten aktuell in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift Journal of Clinical Investigation über ein Tiermodell, bei dem es durch das Ausschalten der Erbanlage für das Eiweiß Frataxin in Pankreaszellen zu einem dem menschlichen Typ-2-Diabetes vergleichbaren Krankheitsbild kommt (JCI, Vol 112, 15th August 2003, Issue 4). "Neurobiologie und Diabetesforschung treffen sich bei unserem Forschungsansatz. Die verminderte Insulinausschüttung beim Diabetiker hat unseren Ergebnissen zufolge dieselbe Ursache wie der Untergang von Nervenzellen, wie er bei neurodegenerativen Erkrankungen wie der Friedreich-Ataxie oder Alzheimer auftritt," erklärt Ristow.

Betazellen sind, wie alle Zellen, darauf angewiesen, dass reduzierende und oxidierende biochemische Reaktionen im Gleichgewicht sind (Redox-Balance). Das Protein Frataxin spielt in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen, eine wichtige Rolle in der Entgiftung von Reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) und damit in der Redox-Balance der Zellen. Ein Frataxin-Mangel führt durch programmierten Zelltod (Apoptose) zum Absterben von Zellen.

Als Ausgangsmodell dient die Friedreichsche Ataxie, eine neurologische Erkrankung, bei der es durch eine Störung in der Redox-Balance aufgrund eines Frataxin-Mangels zu einem Abbau des Nervengewebes, einem Diabetes mellitus und zum frühen Tod kommt. Ristow ist es gelungen, im Knock-out-Mausmodell nachzuweisen, dass die Störung der Redox-Balance durch einen Frataxin-Mangel zu einem fortschreitenden Diabetes führt.

Da jeder Blutzuckeranstieg bei einer diabetischen Stoffwechsellage zu einem weiteren Anstieg von Reaktiven Sauerstoffspezies in den Zellen führt, wird die Redoxbalance weiter gestört und der Betazelluntergang beschleunigt. Durch die Aufklärung dieses Mechanismus ist eine mögliche Erklärung für den fortschreitenden Betazellverlust bei Diabetikern gefunden worden.

Hintergrundinformation

Diabetes mellitus: Der Diabetes mellitus ("Zuckerkrankheit") ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, die durch einen erhöhten Blutzuckerspiegel gekennzeichnet ist. Das Hormon Insulin aus den Betazellen der Bauchspeicheldrüse wirkt einerseits nicht mehr, wie es soll (Insulinresistenz), andererseits gehen im Laufe der Erkrankung zunehmend insulinproduzierende Betazellen zugrunde. Nach den Ursachen für den Verlust an Insulin-produzierenden Betazellen wird intensiv geforscht.

Die WHO rechnet mit einer weltweiten massiven Zunahme von Diabetes mellitus von gegenwärtig etwa 150 auf 300 Millionen Patienten. Auch in Deutschland wird eine ausgeprägte Zunahme von Übergewicht und infolgedessen auftretendem Typ-2-Diabetes beobachtet, so dass dessen Prävention zu einer vorrangigen Aufgabe wird.

Freie Radikale/ROS-System: Zelluläre Systeme weisen normalerweise in ihrem Stoffwechsel eine ausgewogene Balance von oxidierten und reduzierten Produkten auf. Dabei entstehen aber auch sogenannte Reaktive Sauerstoffspezies (ROS), die zelluläre Systeme nachhaltig schädigen können. Die Bildung von ROS ist an der Entstehung von Krebsarten, Diabetes mellitus, Arteriosklerose, Bluthochdruck und Neurodegeneration beteiligt.

Frataxin (Friedreich-Ataxie-Protein): ein 18 kDalton schweres Eiweiß. Es ist in Mitochondrien (Zellorganellen für die Energiegewinnung in Zellen) lokalisiert. Frataxin fehlt bei Patienten mit einer Friedreich-Ataxie, einer neurodegenerativen Erkrankung, bei der auch ein Diabetes mellitus auftreten kann. Wird bei Tieren die Erbanlage für das Protein in Pankreaszellen ausgeschaltet (Frataxin-Knock-out-Tiere), so erkranken diese an einem fortschreitenden Diabetes mellitus.

Das DIfE ist ein Wissenschaftsinstitut der Leibniz-Gemeinschaft.

Quelle: * Abteilung Klinische Ernährung Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam Rehbrücke und Charité-Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Abteilung für Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin, Leitung: Prof. Dr. Andreas F. H. Pfeiffer.

zuletzt bearbeitet: 15.08.2003 nach oben

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