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Empfehlung zur Formulierung einer Rechtsverordnung gemäß § 266 Abs. 7 SGB V

A. Vorbemerkung

Das Bundesministerium für Gesundheit hat mit Schreiben vom 08. Februar 2002 diejenigen chronischen Krankheiten bekanntgegeben, für die gemäß § 137 f SGB V strukturierte Behandlungsprogramme (DMP) entwickelt werden sollen.

Im Einzelnen handelt es sich um:

Die zu stellenden Anforderungen an die Ausgestaltung dieser Programme umfassen allgemeine und spezielle, krankheitsspezifische Anforderungen. Die allgemeinen Anforderungen gelten gleichermaßen für alle Programme. Um krankheitsspezifische Aspekte in der Versorgung der Patienten im DMP berücksichtigen zu können, bedarf es einer Spezifizierung und Konkretisierung der allgemeinen Anforderungen.

Die zuzulassenden Programme:

Entscheidendes Anforderungsmerkmal an die Behandlung bei strukturierten Behandlungsprogrammen (DMP) sind evidenzbasierte Leitlinien. Medizinische Leitlinien werden definiert als systematisch entwickelte Darstellung und Empfehlung, die dem Arzt bei der Entscheidung über zweckdienliche Maßnahmen der Behandlung des individuellen Patienten unter spezifischen klinischen Umständen Unterstützung leisten sollen. Grundlage der Leitlinien für strukturierte Behandlungsprogramme ist ihre Evidenzbasierung. Evidenzbasierte Medizin ist "der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten. In praktischer Anwendung bedeutet dies die Verbindung der klinischen Expertise (des einzelnen Arztes, d. Ü.) mit der besten verfügbaren externen klinischen Evidenz, gewonnen aus einer systematischen Analyse". (Übersetzung nach Sackett et. al. 1997). Das vorrangige Ziel der evidenzbasierten Leitlinien ist es, durch die Bereitstellung von Wissen eine optimale Qualität in der Patientenbehandlung anzustreben. Evidenzbasierte Leitlinien haben die Aufgabe, das umfangreiche existierende medizinische Wissen zu speziellen Versorgungsverfahren zu werten, gegensätzliche Standpunkte zu klären und unter Abwägung von Nutzen und Schaden die derzeitige Vorgehensweise der Wahl nach Möglichkeit darzustellen - allerdings immer in Verbindung mit der fallbezogenen klinischen Expertise (des Arztes) im Rahmen der individuellen Patientenbehandlung.

In Deutschland gibt es zurzeit für die verschiedenen Diagnosen eine Reihe von evidenzbasierten Leitlinien. Sie gilt es im Rahmen und mit Bezug auf die strukturierten Behandlungsprogramme zusammenzuführen zu einer auf das jeweilige Krankheitsbild bezogenen nationalen Versorgungsleitlinie, um damit den Spezifika von strukturierten Versorgungsprogrammen zu entsprechen, sie der Versorgung in Deutschland anzupassen, um sie dann dem von der Selbstverwaltung anerkannten Leitlinienverfahren bei der Ärztlichen Zentralstelle Qualitätssicherung (ÄZQ) zu unterwerfen. Evidenzbasierte deutsche Leitlinien sind bei strukturierten Behandlungsprogrammen als Grundlage zu nutzen. Es ist nicht Aufgabe des Koordinierungsausschusses, selber Leitlinien zu erstellen oder Therapieempfehlungen auszusprechen. Die Inhalte von nationalen Leitlinien sind Anforderungen an die Behandlungsprogramme, die auf klaren, nachvollziehbaren Kriterien basieren und den Vertragspartnern an die Hand gegeben werden können. Die Empfehlung des Koordinierungsausschusses für die Rechtsverordnung des BMG kann nur auf plausiblen, konsistenten Vorgaben beruhen. Die Anforderungskriterien sind dabei so zu definieren, dass die Verbesserung der Versorgung chronisch Kranker das vorrangige Programmziel darstellt. Gleichzeitig ist zu prüfen, ob und ggf. wie durch Abbau von Über-, Unter- und Fehlversorgung eine Kostensteigerung vermieden werden kann. Die Wirkung auf den RSA darf bei der Ausgestaltung der Programme nicht im Vordergrund stehen.

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B. Anforderungen an die Ausgestaltung von strukturierten Behandlungsprogrammen

Dem Bundesgesundheitsministerium wird empfohlen, für die Rechtsverordnung gem. § 266 Abs. 7 folgende Anforderungsprofile an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen zu Grunde zu legen:

§ 1

Anforderung an die Behandlung nach evidenzbasierten Leitlinien unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors
(§ 137f Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB V)

  1. Für die Versorgung von Patienten im Rahmen von DMP empfiehlt der Koordinierungsausschuss Anforderungen an deutsche evidenzbasierte Versorgungsleitlinien, die im Rahmen des Nationalen Leitlinienprogrammes bei der BÄK (NLP) gemäß Absatz 2 erstellt und anschließend einem Leitlinien-Clearing bei der ÄZQ unterzogen werden.
  2. Die Bundesärztekammer erstellt erste deutsche bundeseinheitliche Leitlinien unter Einbeziehung der relevanten Fachwelt (z. B. AWMF, Fachgesellschaften, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft). Bei der Auswahl der Diagnosen sind die vom BMG benannten chronischen Erkrankungen gemäß § 137 f Abs. 2 SGB V zu berücksichtigen. Vergleiche hierzu die Verfahrensregelung in der Anlage zu einem Nationalen Leitlinienprogramm bei der Bundesärztekammer (NLP).
  3. Die Versorgungsleitlinien stellen einen Behandlungskorridor und keine Richtlinien dar. Die Therapiefreiheit des einzelnen Arztes bleibt unangetastet.
  4. Die Leitlinien dürfen keine präjudizierenden Festlegungen über den Ort der Leistungserbringung enthalten.
  5. Eine Auslegung bzw. anwenderspezifische Aufbereitung der deutschen Versorgungsleitlinien an individuelle Erfordernisse vor Ort ist möglich. Bei den Aufbereitungen ist auf ihre inhaltliche Übereinstimmung mit den empfohlenen Versorgungsleitlinien zu achten.
  6. Die Versorgung der Patienten unter Berücksichtigung der deutschen Versorgungsleitlinien folgt den Anforderungen an die medizinische Qualifikation der Leistungserbringer und nicht bestimmten Versorgungssektoren.

§ 2

Durchzuführende Qualitätssicherungsmaßnahmen
(§ 137f Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB V)

  1. Übergeordnete Ziele der Qualitätssicherung im Zusammenhang mit der Einführung der DMP sind:
    • die Verbesserung der Versorgungsqualität bei chronischen Krankheiten,
    • die Förderung der Eigeninitiative und Verantwortung des Patienten für seine Gesundheit.
  2. Für die Akkreditierung eines DMP ist dem BVA ein strukturiertes Konzept zur Qualitätssicherung mit festgelegten regelmäßigen Überarbeitungszeitpunkten vorzulegen.
  3. Das vorzulegende Konzept gemäß Absatz 2 hat folgende Grundanforderungen unter Beachtung internationaler Erfahrungen (z. B. NCQA-Kriterien) zu berücksichtigen:

    • Zur Sicherung des gesamten Behandlungsprozess über alle Versorgungssektoren hinweg müssen ausreichend qualifizierte Leistungserbringer aller Versorgungssektoren und -stufen zur Umsetzung des Programms wohnortnah zur Verfügung stehen.
    • Sicherstellung einer systematischen und kontinuierlich zeitnahen Information der Leistungserbringer und eingeschriebenen Versicherten über vereinbarte Inhalte.
    • Maßnahmen zur Förderung einer aktiven Teilnahme und Eigeninitiative der Versicherten.
    • Regelmäßige Maßnahmen mit Erinnerungs- und Rückmeldungsfunktionen (z. B. Remindersysteme) für Versicherte und Leistungserbringer.
    • Standardisierte Materialien für einen schnellen Überblick über den Behandlungsverlauf und -stand für die Ärzte.
    • Ein strukturiertes Feedback auf der Basis der Dokumentationsdaten für Leistungserbringer mit der Möglichkeit einer regelmäßigen Selbstkontrolle.
    • Anforderungen an die medizinisch fachliche Qualifikation der Leistungsanbieter sowie die technische, apparative und räumliche Ausstattung.
    • Angemessene Risikoadjustierung für die Interpretation der Ergebnisse.
    • Konzept zur zeitlichen Aktualisierung des DMP bei Vorliegen neuer bzw. überarbeiteter Versorgungsleitlinien oder relevanten Erkenntnissen aus der Qualitätssicherung und Evaluation. Medizinische Innovationen sind zeitnah einzupflegen.
    • Wirksame Sanktionen bei Verstößen der Vertragspartner gegen die im Programm festgelegten Anforderungen.

    Begründung
    Schwerpunkt der DMP ist die qualitative Verbesserung der Versorgung der Patienten. Daher ist es unverzichtbar, dass für alle Sektoren ähnlich wie im stationären Bereich eine einheitliche Qualitätssicherungsstruktur vorzuweisen ist. Nur so können qualitative Einbrüche sowie Fehl- und Unterversorgung zeitnah entdeckt und durch Anpassung der Strukturen aufgefangen werden. Weiterhin wird die notwendige Vergleichbarkeit der Programme für eine bessere Transparenz ermöglicht.

  4. Beim BVA ist eine Stelle für ein neutrales Beschwerdemanagement für alle DMP Beteiligten einzurichten. Diese sind auf dessen Existenz bei Aufnahme in ein Programm ausdrücklich hinzuweisen.

    Begründung
    Erfahrungen im Gesundheitswesen haben gezeigt, dass es notwendig ist, schnell auf die subjektiven und objektiven Probleme der Patienten eingehen zu können. Die Einrichtung eines unabhängigen "Beschwerdemanagements" ist daher für alle Beteiligten im Rahmen der Einführung der DMP unverzichtbar.

  5. Das BVA hat durch die Erfassung von Vergleichsgruppen zeitnah festzustellen und ggf. Gründe zu benennen, ob es bei Patienten mit der gleichen Diagnose, die sich nicht in DMP befinden sowie bei Patienten mit nicht DMP-relevanten Erkrankungen zu einer relativen Verschlechterung in der Versorgung kommt.

  6. Das BVA führt für den Nachweis einer fehlerfreien Einschreibung jährliche Stichprobenprüfungen bei den einzelnen Krankenkassen/Verbänden durch. Werden bei einer Krankenkasse Fehleinschreibungen nachgewiesen, so hat diese die Rückzahlung eines x-fachen Betrages des RSA-Ausgleiches vorzunehmen. Bei wiederholten nachgewiesenen Verstößen gegen die Einschreibung sind angemessene Sanktionen vorzusehen. Eine entsprechende Information an die betroffenen Leistungsanbieter und Versicherten ist zu gewährleisten.

    Begründung
    Das Interesse der Krankenkassen möglichst viele Patienten in die Programme einzuschreiben, ist schon aufgrund der Verknüpfung der DMP mit dem RSA sehr hoch. Daher ist es dringend notwendig, gerade zu Beginn nicht unerhebliche Sanktionen festzuschreiben, um Manipulationen bei der Einschreibung vorzubeugen und diese zu vermeiden. Die derzeit vorhandenen unzureichenden Strukturen sowie nicht unerheblichen finanziellen Risiken erlauben darüber hinaus nur eine behutsame Implementierung der DMP.

  7. Die Durchführung der Qualitätssicherungsmaßnahmen ist gegenüber dem BVA nachzuweisen; die durchgeführten Qualitätssicherungsmaßnahmen sind regelmäßig öffentlich darzulegen.

  8. Die im Rahmen des DMP zu erhebenden Datensätze sollen einheitlich und auf den schon existierenden Dokumentationsstrukturen in Deutschland aufbauen. Sie müssen im Rahmen der Routine erhoben werden können und möglichst keinen zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeuten. Die Ergebnisse sind zu veröffentlichen und in die bestehenden DMP einzuarbeiten.
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§ 3

Voraussetzung und Verfahren für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm einschließlich Dauer der Teilnahme
(§ 137f Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB V)

  1. Die Vertragspartner legen dem BVA für die Akkreditierung des DMP ein Konzept zur Einschreibung der Versicherten vor. Dieses Konzept hat die Voraussetzungen für die Einschreibung gemäß Abs. 2 zu berücksichtigen.
  2. Voraussetzung für die Einschreibung eines Versicherten ist
    a) die schriftliche Bestätigung der gesicherten Diagnose durch den behandelnden Arzt gemäß Abs. 3,
    b) die schriftliche Teilnahme und Einwilligungserklärung des Versicherten bzw. seines gesetzlichen Vertreters gemäß Abs. 4 und 5,
    c) die schriftliche Bestätigung durch die Krankenkasse, dass der Patient nicht gleichzeitig in ein anderes Programm eingeschrieben ist,
    d) die schriftliche Bestätigung des Versicherten, dass er über die zur Verfügung stehende Stelle für das Beschwerdenmanagement informiert wurde.

    Begründung zu (1) und (2)
    Die Koppelung der DMP mit dem Risikostrukturausgleich (RSA) birgt die Gefahr einer unkontrollierten Aufnahme von Patienten in die DMP, aufgrund finanzieller Interessen. Aus diesem Grund ist eine klare Regelung der Einschreibung mit eindeutigen Kriterien erforderlich.

  3. Die Diagnose im Sinne der Teilnahme- sowie die allgemeinen Aufnahmevoraussetzungen gilt als gesichert, wenn die in den Anlagen 3a bis 3e (unbesetzt) aufgeführten Kriterien jeweils vollständig erfüllt und dokumentiert sind:
    a) Allgemeine Aufnahmevoraussetzungen (Anlage 3a)
    b) Brustkrebs (Anlage 3b)
    c) Koronare Herzkrankheit (Anlage 3c)
    d) Diabetes mellitus Typ I und II (Anlage 3d)
    e) Chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen (Asthma/COPD (Anlage 3e)

    Begründung
    Aufgrund mangelnder Erfahrungen mit DMP sowie nicht unerheblichen finanziellen Risiken für alle Beteiligten hat sich der Koordinierungsausschuss in seiner Sitzung am 28.01.2002 für eine behutsame Einführung von DMP ausgesprochen. Über die Kriterien in den Anlagen 3a bis 3e wird die Anzahl der aufzunehmenden Patienten maßgeblich gesteuert. Hierbei ist auf eine sinnvolle Differenzierung zu achten. Es sollten grundsätzlich nur diejenigen Patienten aufgenommen werden, die sowohl medizinisch als auch hinsichtlich weiterer allgemeiner Faktoren, wie beispielsweise die zu erwartende Compliance und das Alter, einen Erfolg erwarten lassen.

    (Die Anlagen 3a bis e werden im Rahmen der speziellen Anforderungen vom Koordinierungsausschuss bis zum 20.05.2002 nachgereicht.)

  4. Der Versicherte bzw. sein gesetzlicher Vertreter bestätigt mit seiner schriftlichen Teilnahmeerklärung gemäß Abs. 2b, das er umfassend schriftlich und mündlich über folgende Aspekte aufgeklärt wurde:

    • Die Programminhalte und Versorgungsziele,
    • die zur Verfügung stehenden Versorgungsebenen sowie verfügbaren Leistungsanbieter und ihre Qualifikation in Bezug auf die betreffende Diagnose,
    • das Dokumentationskonzept gemäß § 5, welches die Datenflüsse sowie die in die Datenverarbeitung einbezogenen Institutionen und Personen offenlegt,
    • dass er bei Vorliegen mehrerer DMP-Diagnosen über sämtliche zur Verfügung stehenden Programme informiert wurde und in der Kenntnis, dass er sich nur in ein Programm einschreiben kann dieses selbständig auswählt,
    • dass er freiwillig an dem Programm teilnimmt,
    • dass er jederzeit das Programm ohne Angabe von Gründen verlassen kann.

    Begründung
    Aufgrund der o. g. immensen finanziellen Interessen gilt es, die Patienten vor einer manipulativen Einschreibung in die DMP zu schützen. Dies ist nur durch eine umfassende Information der Versicherten über sämtliche Programminhalte und Konsequenzen hinsichtlich des eingeschränkten Angebotes auf Seiten der Leistungsanbieter zu erreichen. Da es sich überwiegend um ältere Patienten handelt, ist eine mündliche Information unzureichend. Durch eine strukturierte Darstellung des DMP in schriftlicher Form ist es dem Patienten aber auch den Angehörigen möglich, sich jederzeit über die Inhalte aber auch die Konsequenzen für den Patienten sachgerecht zu informieren. Keinesfalls dürfen Versicherte durch einfache Anschreiben der Krankenkasse ohne grundlegende Programm-Informationen und Beurteilung durch die behandelnden Ärzte für die Programme angeworben werden.

  5. Der Versicherte bestätigt mit seiner schriftlichen Einwilligungserklärung gemäß Abs. 2 b, dass

    • er über die datenschutzrechtlichen Bestimmungen aufgeklärt wurde und der Erhebung und Weiterverarbeitung der Daten für die Zwecke des DMP einwilligt,
    • dass er die Programm- und Versorgungsziele kennt und an ihrer Erreichung mitwirken wird.

    Begründung
    Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Teilnahme an dem Programm ist, dass der Patient über die Datenflüsse sowie die Weitergabe seiner persönlichen Daten umfangreich informiert wurde sowie hierzu seine Einwilligung erteilt. Darüber hinaus sollte der Patient bereits bei Aufnahme in das Programm seine aktive Teilnahme bestätigen, um sicherzustellen, dass denjenigen Patienten das Programm zur Verfügung gestellt werden kann, die gleichermaßen an einer Verbesserung ihrer Versorgung interessiert sind.

  6. Der Arzt schlägt nach erfolgreichem medizinischem Aufklärungsgespräch den Patienten der zuständigen Krankenkasse zur Einschreibung in das Programm vor. Diese bestätigt bei Erfüllung der Voraussetzungen die Einschreibung.

    Begründung
    Grundsätzlich sollte der Vorschlag für die Aufnahme in das Programm durch niedergelassene und stationäre Ärzte erfolgen, da nur diese den Patienten sowie die Erfüllung der Einschreibekriterien beurteilen können. Eine ungezielte Aufnahme durch Werbeschreiben seitens der Krankenkassen sollte verhindert werden. Nach dem erfolgten Vorschlag hat die Krankenkasse über die Aufnahme des Patienten in das Programm zu entscheiden.

  7. Die Krankenkasse übermittelt quartalsweise eine Kopie aller schriftlichen Bestätigungen zur Erfüllung der Voraussetzungen für die Einschreibung eines Versicherten gemäß Abs. 2 an das BVA, um eine regelmäßige Überprüfung der Einschreibung gemäß § 2 Absatz 6 durch diese zu ermöglichen.

    Begründung
    Vor dem Hintergrund des RSA ist eine strenge Kontrolle der Einschreibekriterien erforderlich. Hierzu benötigt das BVA die Einschreibeunterlagen.

  8. Die Teilnahme- und Einwilligungserklärung des Versicherten gemäß Abs. 2b ist bis auf Widerruf durch den Versicherten oder seinen gesetzlichen Vertreter oder bis zu seinem Ausschluss aus dem DMP gültig. Die Teilnahme beginnt mit dem Tag der Einschreibung.

  9. Der Versicherte kann die Teilnahme- und Einwilligungserklärung gegenüber seiner Krankenkasse jederzeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen.
  10. Multimorbide Versicherte können sowohl im RSA als auch medizinisch nur einem Programm zugeordnet werden. Liegen zum Zeitpunkt der Einschreibung Bestätigungen für mehrere Diagnosen gemäß Abs. 2a vor, so kann der Versicherte für die Erhebung gemäß § 267 Abs. 2 Satz 4 SGB V ein Programm auswählen. Eine rückwirkende Änderung der Zuordnung ist ausgeschlossen. Die Zuordnung kann durch die Krankenkasse auch nicht bei Hinzutreten einer weiteren Diagnose geändert werden.

    Begründung
    Die Einschreibung eines Patienten in mehrere Programme ist nicht nur aufgrund der Regelung im Rahmen des RSA abzulehnen sondern vielmehr auch medizinisch nicht sinnvoll. Da es sich meistens um ältere und multimorbide Patienten handelt, ist davon auszugehen, dass diese durch umfangreiche unterschiedliche Schulungen und Informationen überfordert würden sowie die praktische Umsetzung erschwert und der Erfolg der Programme nicht mehr beurteilbar ist.

  11. Die aktive Teilnahme der eingeschriebenen Versicherten ist anhand der vorliegenden Dokumentationen gemäß § 5 zu überprüfen. Fehlen für einen Versicherten aufeinander folgend zwei Dokumentationsbögen ohne plausible Begründung, ist die Teilnahme des Versicherten am Programm durch die Krankenkasse zu beenden (einschließlich KV-Kartenwechsel).

    Begründung
    Da die Koppelung der DMP mit dem RSA nicht ausschließlich die Finanzströme unter den Krankenkassen regeln sondern gleichzeitig die Versorgung der Versicherten verbessern soll, ist die reine Einschreibung ohne entsprechende Maßnahmen i. S. der DMP abzulehnen. Um sogenannte Karteileichen zu verhindern, ist ein Ausschluss aus dem Programm vorzusehen.

  12. Die Krankenkasse informiert alle beteiligten Leistungserbringer unverzüglich über jede Änderung des Teilnahmestatus der Versicherten (Aufnahme in das Programm, Ausschluss oder Beendigung der Teilnahme).

    Begründung
    In den bisher durchgeführten Modellprojekten hat sich gezeigt, dass insbesondere die Information der Leistungsanbieter darüber, ob ein Patient weiterhin einem Programm zugeordnet wird, zu zahlreichen Schwierigkeiten geführt hat. Ein strukturiertes und zeitnahes Informationssystem ist daher bereits im Vorfeld vorzusehen.

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§ 4

Schulungen der Leistungserbringer/Versicherten
(§ 137f Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB V)

  1. Schulungen sind sowohl für Leistungsanbieter als auch Patienten vorzusehen.
  2. Für die Akkreditierung ist dem BVA ein konkretes Schulungskonzept für Patienten gemäß Absatz 3 vorzulegen.
  3. Konzepte für strukturierte Patientenschulungen haben folgende Grundanforderungen zu erfüllen:

    1. Klare Festlegungen über Inhalte, Dauer und Schulungsintervalle sowie strukturierte Schulungsunterlagen.
    2. Konzeptionelle Berücksichtigung insbesondere von Motivation und Erwartung der Patienten, ihres Bildungsniveaus und ihrer Lernfähigkeit, ihres Alters sowie psychosozialer und somatischer Faktoren.
    3. Sicherstellung einer medizinisch hochwertigen, sachlichen und objektiven Patientenschulung.

    Begründung
    Evaluierte Schulungskonzepte liegen für die vier Diagnosen nicht durchgängig vor. Dennoch werden derzeit bundesweit durch Leistungsanbieter im niedergelassenen und stationären Bereich Schulungen angeboten. Zur langfristigen Sicherung von Qualität, Erhaltung des bereits aufgebauten Vertrauensverhältnisses zwischen Leistungsanbietern und Patienten und Erhaltung bestehender Strukturen, macht es keinen Sinn, die Schulungen durch sich im Aufbau befindliche Callcenter und Drittanbieter durchführen zu lassen.
    Im Zentrum der Schulungen sollte die Kompetenzsteigerung des Patienten stehen. Es ist zu Beginn der DMP-Einführung nicht sinnvoll, die Kompetenzsteigerung hauptsächlich auf Angehörige zu konzentrieren, die dann die nicht zumutbare Aufgabe der (nahezu kompletten) Patientenführung (z. B. bei bettlägerigen multimorbiden Patienten) übernehmen müssten.

  4. Für die Akkreditierung ist dem BVA ein strukturiertes Informations- und Fortbildungskonzept für die Leistungserbringer vorzulegen.

  5. Die Konzepte für die medizinische Fortbildung der Leistungserbringer gemäß Abs. 4 haben folgende Grundanforderungen zu erfüllen:
    • Die Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen der Ärztekammern bilden die Grundlage.
    • Die Fort- und Weiterbildungen haben in einem verträglichen zeitlichen Ausmaß stattzufinden.
    • Es ist auf eine sektorübergreifende Organisation und Durchführung der Weiterbildung zu achten.
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§ 5

Dokumentation
(§ 137f Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 SGB V)

  1. Für die Dokumentation ist ein standardisierter Datensatz zur Erhebung der Programmziele insbesondere für die Identifizierung von denkbaren Einschreibungsmanipulationen, die Ermöglichung einer Risikostratifizierung eingeschriebener Patienten, sowie die Kontrolle der Durchführung und Qualität der Patientenführung/-versorgung vorzusehen. Bei der Dokumentation ist dem Grundsatz der Datensparsamkeit (§ 78 a SGB X) und Datenvermeidung (§ 3 a Bundesdatenschutzgesetz) Rechnung zu tragen.
  2. Für die Akkreditierung ist dem BVA ein strukturiertes Konzept zur Dokumentation und zum Datenfluss des einzelnen DMP vorzulegen.

    Begründung
    Gerade im sensiblen Bereich des Datenschutz ist zur Akkreditierung ein strukturiertes Konzept über sämtliche Datenflüsse allen Beteiligten vorzulegen. Nur hierdurch kann dem Grundsatz der Datentransparenz Rechnung getragen werden.

  3. In dem Konzept gemäß Absatz 1 sind folgende Grundanforderungen zu berücksichtigen:

    • Vorgabe eindeutiger Dokumentationsinhalte, -intervalle sowie Datenflüsse.
    • Vorgaben für die Beachtung des Datenschutzes bei der Datenerhebung, Datenverarbeitung, -speicherung, -nutzung und -weiterleitung.
    • Sicherstellung, dass alle Beteiligten sich schriftlich zur Einhaltung des Datenschutzes verpflichten.
    • Nachweis der datenschutzrechtlichen Einwilligung aller Beteiligten.
    • Für die wiederholte Verletzung des Datenschutzes sind neben den datenschutzrechtlichen Sanktionen weitere angemessene Sanktionen vorzusehen.

    Begründung
    Aktuellen Meldungen über Datenmissbrauch muss durch einen behutsamen Umgang insbesondere mit versichertenbezogenen Daten begegnet werden. Die im Rahmen eines DMP angewandten diagnosespezifischen Dokumentationsbögen müssen mit der einschlägigen Fachwelt "für eine breite Akzeptanz in der Ärzteschaft" abgestimmt sein.

  4. Alle Daten müssen ohne größeren, zusätzlichen Aufwand in der Routine erhebbar sein.

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§ 6

Evaluation: Bewertung der Wirksamkeit und der Kosten, zeitlicher Abstand zwischen den Evaluationen eines Programmes sowie die Dauer seiner Zulassung nach § 137g
(§ 137f Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB V)

  1. Grundziele der Evaluation sind die Überprüfung

    • der Einhaltung der Einschreibekriterien,
    • der Erreichung der Programmziele,
    • Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Versorgung nicht am Programm beteiligter Patienten mit programmgleichen oder anderen Diagnosen,
    • ökonomische Effizienz,
    • Überprüfung eines gerechten Finanzausgleichs über den RSA.
  2. Für die Akkreditierung ist dem BVA ein konkretes Konzept unter Beachtung der Grundziele der Evaluation gem. Absatz 1 des einzelnen DMP vorzulegen. Das vorgelegte DMP-Evaluationskonzept hat unter Beachtung nationaler und internationaler Erfahrungen folgende Aspekte zu berücksichtigen:

    • Sicherstellung, dass die erhobenen Ergebnisse allen Programmbeteiligten und Versicherten regelmäßig zur Kenntnis gebracht und in einer geeigneten Darstellung veröffentlicht werden.
    • Ein strukturiertes Verfahren zur Qualitätsverbesserung auf der Grundlage der Evaluationsergebnisse.
    • Berücksichtigung der regelmäßigen Auswertung des unabhängigen Beschwerdemanagements.
  3. Die erhobenen Ergebnisse sind den Programmbeteiligten und Versicherten regelmäßig zur Kenntnis zu bringen, die Gesamtbewertungen sind - dem Gedanken der Transparenz folgend - zu veröffentlichen.

  4. Die Schulungen, Fort-/Weiterbildungen und Informationsmaterialien unterliegen einer regelmäßigen unabhängigen Evaluation.
  5. Die Ergebnisse der Evaluation sind beim BVA zentral zu sammeln und öffentlich zugänglich zu machen.
  6. Die Reakkreditierung eines Programmes erfolgt unter Beachtung der Ergebnisse der Evaluation erstmals sechs Monate nach Akkreditierung und in weiteren jährlichen Abständen.
  7. Die generelle Laufzeit des DMP ist erstmalig auf 2 Jahre und anschließend auf 3 Jahre zu beschränken, danach hat eine vollständig neue Akkreditierung zu erfolgen.

    Begründung
    Insbesondere zu Beginn der DMP-Einführung ist aufgrund zunehmender Erfahrungen mit umfangreichen neuen Entwicklungen des Akkreditierungskonzeptes des BVA zu rechnen.

  8. Die Evaluation ist durch das BVA oder eine von ihm zu benennende unabhängige Institution durchzuführen. Das Ergebnis kann einem Zweitmeinungsverfahren zugeführt werden.

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zuletzt bearbeitet: 21.03.2002 nach oben

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Dr. phil. Axel Hirsch

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