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Insulinsensitizer - das Therapieprinzip für Typ-2-Diabetiker?

Das Diabetes-Portal DiabSite im Gespräch mit Dr. Ralf Uwe Häußler

Dr. Ralf Uwe Häußler Dr. Ralf Uwe Häußler (43) kam bereits während des Studiums zur Diabetologie. Als "Extrawache" und Krankenpflegehelfer arbeitete er damals im Berliner Uni-Klinikum "Westend". Hier ist Frau Dr. Schirop Oberärztin, die bis heute für eine bessere Versorgung der Diabetiker kämpft. Während seiner Facharztausbildung im Britzer Krankenhaus ist Häußler unter Prof. Gutsche tätig. Die Berliner nennen den anerkannten Diabetes-Experten liebevoll "Zucker-Gutsche". Auch bei ihm hat Häußler viel über den Diabetes gelernt. In seiner diabetologischen Schwerpunktpraxis in Berlin-Zehlendorf betreut Dr. Häußler heute viele Menschen mit Diabetes.
Neue Tabletten mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Glitazone sollen bei Typ-2-Diabetes die Empfindlichkeit für Insulin erhöhen. Wie diese sogenannten Insulinsensitizer wirken und für wen sie geeignet sind, erläutert Herr Dr. Häußler im Gespräch mit DiabSite.

DiabSite:
Herr Dr. Häußler, was ist unter einem Insulinsensitizer zu verstehen?
Häußler:
Das ist eine sehr schwierig zu beantwortende Frage. Lassen Sie mich das ein bisschen bildlich darstellen: Die Zelle hat bestimmte Mechanismen, um Insulin an sich zu binden und dadurch den Glukosetransport in die Zelle zu ermöglichen. Der Typ-2-Diabetes bewirkt, dass diese Rezeptoren beziehungsweise diese insulinbindenden Strukturen an der Zelle nicht mehr richtig funktionieren. Der Sensitizer kann genau dort ansetzen und diese Bindungsstrukturen für das Insulin wieder vermehrt zur Verfügung stellen.
DiabSite:
Woher kommt die geringe Sensibilität für das Insulin bei Typ-2-Diabetikern?
Häußler:
Um es allgemein zu sagen: Es ist ganz natürlich, dass wir alle im Laufe des Lebens einen Teil unserer hormonellen Ansprechbarkeit verlieren. Das gilt nicht nur für das Insulin, sondern auch für viele andere Hormone. Beim Diabetiker wird dieser Prozess aufgrund vieler Ursachen beschleunigt. Einerseits sind die Veränderungen, die zu einer Insulinresistenz führen, erbbar. Andererseits wird diese Entwicklung durch Bewegungsmangel und Übergewicht verstärkt. Eine falsche, zu kalorienreiche Ernährung kann nicht nur zu dieser verminderten Insulinempfindlichkeit, sondern letztendlich auch zum Ausbruch des Diabetes mellitus führen.
DiabSite:
Neue Wirkstoffe, die sogenannten Glitazone, sollen dieser Insulinresistenz vorbeugen. Was sind das für Wirkstoffe?
Häußler:
Die Glitazone sind eine sehr interessante Stoffgruppe, weil sie im Gegensatz zu den meisten bisherigen Tabletten für Typ-2-Diabetiker nicht die Insulinproduktion anregen, sondern wirklich dort ansetzen, wo der Diabetes tatsächlich entsteht - bei der Insulinresistenz. Somit haben wir, wenn man so will, das erste Mal ein wirklich kausales Prinzip. Bisher gab es nur die Biguanide - zum Beispiel Metformin - die wenigstens in kleinen Teilbereichen ähnlich wirkten. Von den Glitazonen erhoffen wir uns vor allem langfristig einen viel besseren Effekt, weil sie ausschließlich und gezielt die Insulinresistenz senken. Bei der bisherigen Tabletten-Therapie, die die Bauchspeicheldrüse zur Insulinproduktion anregt, gibt es immer ein Problem: Die Wirkung erschöpft sich im Lauf der Zeit. Sollte diese Schwierigkeit mit den Glitazonen zu umgehen sein, was wir annehmen, ist damit zu rechnen, dass Diabetes-Patienten künftig sehr viel länger gut eingestellt bleiben können.
DiabSite:
Heißt das, die herkömmlichen Tabletten helfen irgendwann nicht mehr richtig, während die neuen ihre Wirksamkeit behalten?
Häußler:
Wie schon gesagt, es ist etwas ganz Natürliches, dass wir mit zunehmendem Alter gegen unser Insulin unempfindlicher werden. Die Glitazone können diesen Prozess natürlich nicht verhindern, aber hier gibt es scheinbar keinen Wirkungsverlust, wie bei den anderen Medikamenten. Das ist zwar noch nicht durch Langzeitbeobachtungen abgesichert, aber die klinischen Studien haben bisher keine entsprechenden Hinweise erbracht.
DiabSite:
Wie sieht die Therapie mit den Glitazonen aus? Kann der Typ-2-Diabetiker nach der Behandlung essen, was er will?
Häußler:
Die Säulen der Therapie für Typ-2-Diabetiker können trotz der neuen Medikamente aus der Gruppe der Glitazone nicht einfach weggeschlagen werden. Eine Diät einzuhalten ist weiterhin wichtig und natürlich auch viel Bewegung, um drohendem oder bestehendem Übergewicht entgegen zu wirken. Diese neuen Medikamente gleichen in keinem Fall Diätfehler aus. Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Eine Blutzuckersenkung ist auch beiGlitazonen letztendlich nur möglich, wenn der Patient eine definierte Diät einhält, sich ausreichend bewegt und die Tabletten entsprechend den Weisungen des Arztes einnimmt.
DiabSite:
Nehmen Diabetiker mit einer Glitazontherapie nur noch eine Sorte Tabletten?
Häußler:
Nein. Vorerst sind die Glitazone in Deutschland nicht für die Monotherapie zugelassen. Pioglitazon, oder das in Deutschland etwas länger auf dem Markt befindliche Rosiglitazon werden zum Beispiel mit einem Sulfonylharnstoff oder auch mit Biguaniden kombiniert. Diese Therapieform ist deshalb sinnvoll, weil man sich so die Synergieeffekte, d.h. das Zusammenwirken zweier unterschiedlicher Therapieprinzipien, zu Nutze macht. Dadurch bekommt der Typ-2-Diabetiker aber unter Umständen auch etwas mehr Freiheiten bezüglich der Diät.
DiabSite:
Sind denn auch schon Nebenwirkungen der Glitazone bekannt?
Häußler:
Ja, es gibt Nebenwirkungen. Beispielsweise kann es zu einer vermehrten Einlagerung von Wasser kommen, vor allem in den Beinen. Nicht verabreicht werden dürfen die Glitazone außerdem bei Menschen mit Herzproblemen, weil diese durch die Einnahme verstärkt werden. Mit einem weiteren Wirkstoff dieser Gruppe haben wir leider auch sehr negative Erfahrungen machen müssen: Das Troglitazon ist in vielen Ländern vom Markt genommen worden, weil es Lebererkrankungen mit zum Teil tödlichem Ausgang verursacht hat. Deshalb werden auch die anderen Glitazone bei Leberschäden nicht verordnet. Wir können aber davon ausgehen, dass Pioglitazon und vor allem Rosiglitazon diese Leberschäden nicht verursachen. Es scheint sich also nicht um einen Gruppen- sondern um einen Substanzeffekt gehandelt zu haben.
DiabSite:
Für welche Typ-2-Diabetiker sind die Glitazone besonders geeignet?
Häußler:
Sicherlich nicht für diejenigen, bei denen eine Insulintherapie schon längere Zeit überfällig ist, also Typ-2-Diabetiker mit einem sehr langen Diabetesverlauf von mehr als 8 oder 10 Jahren. Ungeeignet sind auch Patienten, die in der letzten Zeit unter einer Kombinationstherapie mit herkömmlichen Tabletten nicht eingestellt werden konnten und solche, die stark abgenommen haben und vielleicht schon gar nicht mehr übergewichtig sind. Für extrem dicke Diabetiker mit einem relativ kurzen Krankheitsverlauf, bei denen die Insulinresistenz im Vordergrund steht, eröffnen die Glitazone dagegen große Möglichkeiten. Auch für Patienten, die trotz Diät, Gewichtsabnahme und Bewegung nicht vernünftig einzustellen sind, und die vielleicht schon einen Sulfonylharnstoff oder ein Biguanid einnehmen, kann das zusätzliche Therapieprinzip mit Glitazonen eine deutliche Verbesserung der Stoffwechsellage bedeuten.
DiabSite:
Können Glitazone auch mit Insulin kombiniert werden?
Häußler:
Meiner Ansicht nach ist es vorstellbar, dass Typ-2-Diabetiker, die nur wenig Insulin brauchen, schon bald auch Glitazone dazu nehmen können. Für diese Kombinationstherapie gibt es in Deutschland aber noch keine Zulassung. Voraussichtlich werden die Glitazone bald auch als Monotherapie zugelassen werden. Das ist sicherlich nur eine Frage der Zeit.
DiabSite:
Haben Sie in Ihrer Praxis feststellen können, ob die Kombination mit Glitazonen tatsächlich zu einer besseren Stoffwechseleinstellung führt?
Häußler:
Seit Mitte des Jahres sind in Deutschland Tabletten mit dem Wirkstoff Rosiglitazon auf dem Markt. Ich habe sie bereits bei einigen Patienten eingesetzt. Aber ich muss sagen, es gibt noch keinen, bei dem ich einen angestrebten HbA1c-Zielwert erreicht habe. Dafür ist die Zeit auch zu kurz. Wir haben bisher maximal zwei HbA1c-Werte machen können, die noch wenig aussagekräftig sind. Ob der Erfolg über längere Zeit eintritt, kann ich erst später beurteilen.
DiabSite:
Haben Ihre Patienten denn vielleicht andere als die genannten Nebenwirkungen beobachtet?
Häußler:
Nein. Das war auch nach den bisherigen klinischen Studien nicht zu erwarten. Wenn die beschriebenen Kontraindikationen, sprich Gegenanzeigen, beachtet werden, ist das Medikament sicher genauso gut verträglich, wie die bisher bekannten Arzneimittel. Bei der Verschreibung muss man aber beachten, dass die Glitazonepräparate - als neuere, innovative Medikamente - sehr viel teurer sind, als andere Tabletten gegen Typ-2-Diabetes. Es muss also von Fall zu Fall entschieden werden, ob der Einsatz der Glitazone wirklich sinnvoll ist.
DiabSite:
Herr Dr. Häußler, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Autor: hu; zuletzt bearbeitet: 16.02.01 nach oben

Bildunterschrift: Dr. Ralf Uwe Häußler
Bildquelle: privat

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