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Zusammenhang zwischen erhöhten Blutzuckerspiegeln und Dickdarmkrebs-Risiko entdeckt

Kann ein gesunder Lebensstil neben dem Typ-2-Diabetes-Risiko auch das für Dickdarmkrebs senken?

EPIC-Karte
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Starkes Übergewicht ist ein Risikofaktor für Dickdarmkrebs. Dies ist seit etwa 10 Jahren bekannt. Die Ursachen für diese Risikobeziehung sind jedoch noch wenig erforscht. Um mehr über die zugrundeliegenden Stoffwechselprozesse zu erfahren, haben Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) im Rahmen einer großen europäischen Langzeitstudie Biomarker-Analysen durchgeführt. Diese weisen nun erstmals darauf hin, dass nicht nur eine kontinuierliche Gewichts- und Körperfettzunahme im Bauchraum eine Rolle für diese Beziehung spielen, sondern auch eine Störung des Zuckerstoffwechsels (Aleksandrova et al., 2017).

Heiner Boeing und Krasimira Aleksandrova vom DIfE Das Wissenschaftlerteam um Heiner Boeing und Krasimira Aleksandrova vom DIfE untersuchte den Zusammenhang zwischen der Körpergewichtszunahme im Erwachsenenalter, dem Darmkrebsrisiko und 20 verschiedenen Biomarkern mit Hilfe einer in der EPIC-Studie eingebetteten Fall-Kontroll-Studie. Diese schloss die Daten von 266 erstmals an Dickdarmkrebs und 186 an Enddarmkrebs erkrankten Menschen sowie die Daten von 452 nicht an Krebs erkrankten Kontrollpersonen ein.

Wie die aktuelle Studie zeigt, haben Erwachsene, die ab dem 20. Lebensjahr jährlich mehr als 300 Gramm Körpergewicht zulegen, im Vergleich zu Personen, die unter diesem Wert bleiben, ein um 54 Prozent erhöhtes Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken. Diese Risikoerhöhung beobachteten die Wissenschaftler auch, wenn Menschen mittleren Alters über einen Zeitraum von 30 Jahren mehr als 9 Kilogramm Gewicht zunahmen. Kontrollpersonen derselben Altersgruppe, deren Körpergewicht langfristig stabil war, hatten kein erhöhtes Darmkrebsrisiko. Die Forscher beobachteten zudem, dass für die Risikobeziehung zwischen Gewichtszunahme und Dickdarmkrebs eine Zunahme des Taillenumfangs sowie ein hoher HbA1c-Wert (Maß für den Langzeitblutzucker) eine Rolle spielen. Für Enddarmkrebs stellten sie in dieser Studie keine deutliche Risikoerhöhung fest.

Ein großer Taillenumfang weist meist auf übermäßige Fetteinlagerungen im Bauchraum hin. Hohe HbA1C-Werte lassen dagegen auf eine anhaltende Störung des Zuckerstoffwechsels schließen, denn der HbA1C-Wert ist ein wichtiger Indikator für die durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der vergangenen acht bis zwölf Wochen.

"Wir nehmen daher an, dass der beobachtete Zusammenhang zwischen einer Gewichtszunahme und Dickdarmkrebs mit physiologischen Veränderungen einhergeht, die zumindest teilweise auf eine Zunahme des Bauchfetts und eine Störung des Zuckerstoffwechsels zurückzuführen sind", sagt Erstautorin Krasimira Aleksandrova vom DIfE. "Aus einer früheren Untersuchung wissen wir zudem, dass auch ein gestörter Fettstoffwechsel für die Dickdarmkrebs-Entstehung eine Rolle spielen könnte. Ob jedoch ein über lange Zeit erhöhter Blutzuckerspiegel das Dickdarmkrebsrisiko direkt negativ beeinflusst, wissen wir derzeit nicht. Zumindest liefert die neue Studie aber weitere Ansatzpunkte, die sich weiterverfolgen lassen, um die molekularen Mechanismen der Dickdarmkrebs-Entstehung aufzuklären", so Aleksandrova weiter. Diese zu kennen, sei eine wichtige Voraussetzung, um neue Behandlungsstrategien zu entwickeln.

"Dennoch zeigen die neuen Daten schon jetzt, wie wichtig es ist, lebenslang mit Hilfe eines gesunden Lebensstils Fett- und Zuckerstoffwechselstörungen zu vermeiden und darauf zu achten, auch im Alter nicht übermäßig an Körperfett zuzunehmen", sagt Heiner Boeing, der die Potsdamer EPIC-Studie und die Abteilung Epidemiologie am DIfE leitet.

Originalstudie: Krasimira Aleksandrova, Sabrina Schlesinger, Veronika Fedirko, Mazda Jenab, Bas Bueno-de-Mesquita, Heinz Freisling, Isabelle Romieu, Tobias Pischon, Rudolf Kaaks, Marc J. Gunter, Christina C. Dahm, Kim Overvad, Agnetha Linn Rostgaard-Hansen, Anne Tjønneland, Antonia Trichopoulou, Christina Bamia, Pagona Lagiou, Claudia Agnoli, Amalia Mattiello, Kathryn Bradbury, Kay-Tee Khaw, Elio Riboli, Heiner Boeing; Metabolic Mediators of the Association Between Adult Weight Gain and Colorectal Cancer: Data From the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC) Cohort. Am J Epidemiol 2017; 185 (9): 751-764. doi: 10.1093/aje/kww194

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Hintergrundinformationen

Die aktuelle Fall-Kontroll-Studie und die wissenschaftliche Arbeit der Erstautorin (K. Aleksandrova) wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

Weitere Ergebnisse der DIfE-Forscher hinsichtlich des Darmkrebsrisikos

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).

Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 91 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u. a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.600 Personen, darunter 9.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,7  Milliarden Euro.

Bildunterschriften: An der EPIC-Studie sind 10 europäische Länder beteiligt (Bild 1). Heiner Boeing und Krasimira Aleksandrova vom DIfE (Bild 2).
Bildquelle: EPIC/Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Portrait-Fotos: Till Budde

zuletzt bearbeitet: 08.06.2017 nach oben

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