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Diabetes 2030

Pressemitteilung: Novo Nordisk Pharma GmbH

Stimme der Patienten stärken, gemeinsam Versorgung optimieren

Diskussionsrunde zur Gesundheitspolitik
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In Deutschland sterben jedes Jahr sechsmal so viele Menschen an Typ-2-Diabetes und seinen Folgen als bisher angenommen. Diese neue Erkenntnis aus den Daten von knapp 65 Millionen Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen stand am Beginn der Veranstaltung "Diabetes 2030", zu der Novo Nordisk bereits zum zweiten Mal eingeladen hatte. "Diabetes ist eine schwere, mitunter tödliche, chronische Erkrankung mit dramatischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen", stellte Tagungspräsident Professor Dr. Diethelm Tschöpe fest: "Trotzdem neigen wir immer noch dazu, sie zu trivialisieren." Über Ansätze, die Situation der Betroffenen zu verbessern, diskutierten am 16. und 17. Februar Vertreter aus Politik, Selbstverwaltung, Wissenschaft und Praxis in der dänischen Botschaft in Berlin. Dabei waren sich die Beteiligten einig, dass ein offener Diskurs und eine konstruktive Zusammenarbeit über alle Bereiche hinweg notwendig seien, um neue Lösungen für Menschen mit Diabetes zu finden.

Zum ersten Mal stellte PD Dr. med. Wolfgang Rathmann, stellvertretender Direktor des Instituts für Biometrie und Epidemiologie am Deutschen Diabetes-Zentrum, Düsseldorf, seine Berechnung der diabetesbedingten Mortalität vor, die auf dem gesamten Datensatz der 64,9 Millionen Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen basiert. Demnach lassen sich 137.950 (16 %) der 2010 in Deutschland verzeichneten Todesfälle auf Typ-2-Diabetes zurückführen - und damit knapp sechsmal so viele, wie die offizielle Todesstatistik ausgibt.

"Wir haben ein sehr unterschiedliches Verständnis davon, wo die Ursache dieses Problems liegt", so der Befund von Professor Dr. med. Diethelm Tschöpe, Direktor des Diabeteszentrums am Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen, und Vorsitzender der Stiftung "Der herzkranke Diabetiker". "Viele konzentrieren sich auf eine bessere Vorbeugung, und das ist auch wichtig. Doch wir haben schon heute Millionen von Menschen, die mit Diabetes leben und frühzeitig daran sterben könnten, wenn wir uns nicht besser um sie kümmern." Im Zentrum aller Anstrengungen müssten dabei die Situation und die Bedürfnisse der Patienten stehen. Der zweite Tagungspräsident, Prof. Dr. Jürgen Wasem, Inhaber des Lehrstuhls für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen, gab sich vorsichtig optimistisch: "Wenn wir jetzt energisch handeln, können wir die negativen Auswirkungen, die sich durch die demographische Entwicklung und den Trend zu mehr Neuerkrankungen abzeichnen, gemeinsam abmildern."

Diabetes noch stärker in den politischen Fokus rücken

Die Politik habe dabei in den letzten Jahre wichtige Fortschritte erreicht, führte Sabine Dittmar, Bundestagsabgeordnete der SPD und Mitglied des Gesundheitsausschusses, aus. Trotzdem gebe es noch viel zu tun: "Das Präventionsgesetz war ein guter erster Schritt, aber wir können uns noch mehr um die Verhältnisprävention kümmern - z. B. in Kindergärten und Schulen oder durch eine Lebensmittelampel." Aber auch die Anstrengungen der verschiedenen Akteure für eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung der bereits erkrankten Diabetiker müsste besser koordiniert und fokussiert werden. "Wir arbeiten daran, noch in dieser Legislaturperiode eine nationale Diabetesstrategie zu verabschieden", kündigte sie an: "Diabetes ist kein schwarzes, rotes oder grünes Thema, sondern eines, das die ganze Gesellschaft betrifft."

Kathrin Sonnenholzner, ebenfalls SPD, MdL und Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit und Pflege des Bayerischen Landtags, appellierte dabei auch an die Diabetes-Community: "Um etwas zu bewegen brauchen wir Ihre Unterstützung: Entwickeln Sie Vorschläge, gehen Sie auf die Politik zu und stellen Sie sicher, dass Ihre Stimme gehört wird." Eine veritable Diabetes-Bewegung wünschte sich Dr. med. Jens Kröger, Ärztlicher Leiter des ambulanten Zentrums für Diabetologie Hamburg-Bergedorf und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Diabetes-Hilfe diabetesDE. Die Patienten und ihre Interessensvertretungen sollten ihre Anliegen und Themen einheitlich und klar zu Gehör bringen. Die kommende Legislaturperiode - darin waren sich die Diskutanten einig - biete eine neue Chance, Diabetes noch stärker in den politischen Fokus zu rücken.

AMNOG gefährdet Versorgung von Menschen mit Diabetes

Die Berücksichtigung der Patientenperspektive in der frühen Nutzenbewertung innovativer Arzneimittel bildete einen weiteren Schwerpunkt der Veranstaltung. "Wir halten an einer Methodik fest, die zu Ergebnissen führt, die den Patienten nicht gerecht werden", stellte Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen vfa, fest. "Das wird bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes besonders deutlich sichtbar." So liegt die Rate der Antidiabetika, die im AMNOG-Verfahren keinen Zusatznutzen zugesprochen bekamen, mit 87,7 % fast doppelt so hoch wie die aller seit 2011 bewerteter Medikamente (44 %; eigene Berechnung Novo Nordisk; Stand: 1. Februar 2017). Neun Produkte sind in der Folge nicht mehr in Deutschland verfügbar. Tschöpe forderte, diesen Befund nicht zu ignorieren: "Bei allen methodischen Diskussionen sollten wir nicht vergessen, dass es am Ende darauf ankommt, dass wir Patienten so gut wie möglich versorgen und vor Folgeschäden bewahren können."

Aus diesem Grund würde die Patientenperspektive in der frühen Nutzenbewertung mit berücksichtigt, erläuterte Dr. Kristin Derlig, Referentin in der Abteilung Arzneimittel im Gemeinsamen Bundessausschuss: "Die Meinung der Patientenvertreter ist sehr wichtig und wird im Unterausschuss Arzneimittel, der die G-BA-Beschlüsse vorbereitet, auch immer gehört." Aus Sicht von Dr. Jens Kröger reicht dies jedoch nicht aus: "Wir müssen Menschen mit Diabetes auch stärker in die Entscheidungsprozesse mit einbeziehen. Patientenvertreter sollten im Gemeinsamen Bundesausschuss nicht nur ein Anhörungsrecht, sondern auch ein Mitbestimmungsrecht erhalten."

DDG: Aktuellen Stand der Wissenschaft und Versorgungsrealität stärker berücksichtigen

Auch die Expertise der behandelnden Ärzte müsse deutlich stärker in die Bewertung eingebunden werden als bisher, forderte der Vizepräsident der Deutschen Diabetes-Gesellschaft DDG, Prof. Dr. med. Dirk Müller-Wieland: "Es ist beispielsweise medizinisch nicht nachvollziehbar und auch wissenschaftlich nicht haltbar, weiter an Sulfonylharnstoffen als zweckmäßige Vergleichstherapie festzuhalten - einer Substanzgruppe, die per Wirkmechanismus und klinisch belegt zu signifikant mehr schweren Hypoglykämien führt und daher potentiell tödlich ist." Die Bewertungsmethodik müsse den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung und die Versorgungsrealität stärker berücksichtigen. "Wir brauchen eine medizinische Plausibilitätsprüfung", so Müller-Wieland: "Die Fachgesellschaften sollten grundsätzlich und schon zu Beginn der Nutzenbewertung strukturiert eingebunden und gehört werden - sowohl im Hinblick auf die zweckmäßige Vergleichstherapie, die Fragestellungen und auch hinsichtlich der Sub-Populationen und Endpunkte."

Dr. Katharina Thiele, Director Market Access bei Novo Nordisk, Mainz, sieht auch bei der Industrie noch Optimierungsbedarf: "Es liegt in der Verantwortung der pharmazeutischen Unternehmen, die Studien methodisch so aufzusetzen, dass sie den Bewertungskriterien des IQWiG standhalten. Dann können wir auch im Bereich Diabetes auch jetzt schon sicherlich mehr erreichen als bisher." Dies zeigten die Ergebnisse der jüngsten Vergangenheit sowie die Erfahrungen aus anderen Indikationen, in denen sich die Unternehmen bereits früher auf das AMNOG eingestellt hatten, so Thiele.

Patientenpräferenz in Studien stärker berücksichtigen

Schließlich könne auch die Wissenschaft zu einer stärkeren Berücksichtigung von Patienteninteressen im Prozess beitragen, erläuterte Professor Dr. med. Matthias Augustin, Direktor des Instituts für Versorgungsforschung, Hamburg. Er hatte analysiert, dass in 181 AMNOG-Bewertungen bislang nur fünfmal überhaupt die Auswirkungen des Medikaments auf die Lebensqualität der Betroffenen entscheidend waren. "Häufig legen die pharmazeutischen Unternehmer gar keine oder unzureichende Daten zur Lebensqualität vor", führte er aus. Auch Dr. Martin Danner, Bundesgeschäftsführer der BAG Selbsthilfe, wünschte sich für die Zukunft mehr Daten zur Patientenpräferenz: "Man kann die Lebensqualität messen. Ich finde es unverständlich, dass es noch keinen für Deutschland validierten Fragebogen zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Diabetes gibt, der auch eingesetzt wird."

Die zweite Auflage von Diabetes 2030 machte deutlich, dass der Anspruch, den Patienten in den Mittelpunkt des Gesundheitssystems zu stellen, im Bereich Diabetes noch nicht überall verwirklicht wird. Eine echte Verbesserung dieser Situation sei möglich, waren sich die Beteiligten einig, erfordert jedoch weitere gemeinsame Anstrengungen und eine Vertiefung des offenen und konstruktiven Dialogs untereinander.

Quellen

  • Data on file (Dr. Rathmann, Deutsches Diabetes Zentrum Düsseldorf)
  • Data on file (Novo Nordisk)
  • Data on file (Prof. Augustin, Institut für Versorgungsforschung Hamburg)

Bildunterschrift: Diskussionsrunde zur Gesundheitspolitik / v.l.n.r.: Kathrin Sonnenholzner (MdL Bayern), Prof. Baptist Gallwitz (Tübingen, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft DDG), Sabine Dittmar (MdB), Prof. Diethelm Tschöpe (Bad Oeynhausen), Prof. Jürgen Wasem (Duisburg-Essen), Thomas Hegemann (Moderator)
Bildquelle: Novo Nordisk Pharma GmbH

zuletzt bearbeitet: 03.03.2017 nach oben

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