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Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie sieht Fach in Gefahr

Andere Fachgebiete, wie die Gynäkologie bei Schwangerschaftsdiabetes, gehören zur Inneren Medizin

Der Umbau des Gesundheitssystems benachteiligt die universitäre Endokrinologie erheblich und führt zu Fehlbehandlung. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) wendet sich deshalb mit einer Stellungnahme an Entscheidungsträger in Medizin, Politik, Forschung und Gesundheitswesen. Eine kostendeckende Krankenversorgung ist in der Universität derzeit kaum mehr zu erreichen. Die Folge ist einerseits ein Stellenabbau und damit ein mittelfristiger Mangel an qualifizierten Endokrinologen sowie ein Verlust exzellenter Forschungszentren für die Versorgung der Patienten und klinische Wissenschaft. Als Konsequenz fordert die DGE die Einrichtung einer Planungskommission.

Die Hälfte aller stationären endokrinologischen Patienten liegt in Universitätskliniken. Viele Standorte reduzieren jedoch aus Kostengründen die Betten. Damit gehen auch Stellen, Ausbildungsmöglichkeiten und schließlich der endokrinologische Nachwuchs verloren. Denn endokrinologische Weiterbildung erfordert 18 Monate stationäre Ausbildung.

"Die Endokrinologie kann bei dieser Entwicklung in Zukunft weder ihren Auftrag in Lehre und Forschung, noch in Weiterbildung und Krankenversorgung erfüllen", warnt Professor Dr. med. Andreas F. H. Pfeiffer, Präsident der DGE. Dies stünde in völligem Missverhältnis zu Vielzahl, Bedeutung und vor allem Ausmaß hormonell bedingter innerer Erkrankungen. Denn Adipositas, Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen und Osteoporose betreffen viele Millionen Menschen. Hier besteht nicht nur dringender Forschungsbedarf. Es gehe auch um Erhalt und Zukunft exzellenter Arbeitsgruppen in Deutschland, so die Verfasser der Stellungnahme.

Die Endokrinologie überlappt sich mit vielen anderen Fachgebieten - etwa der Onkologie bei endokrinen Tumoren, Nephrologie bei Bluthochdruck und gestörtem Wasserhaushalt, Gynäkologie bei Schwangerschaftsdiabetes und vielen mehr. Doch endokrine Krankheitsbilder gehören in die Hände von Spezialisten: "Fehlende Expertise kann zu folgenträchtigen Fehlern in Diagnostik und Therapie führen und verursacht zudem unnötige kostenintensive Folgediagnostik", befürchtet Pfeiffer, der die Abteilung für Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin an der Charité Universitätsmedizin Berlin/Campus Benjamin Franklin leitet.

Endokrinologen nutzen diagnostisch, personell und zeitlich aufwendige Testverfahren, um hormonelle Rückkoppelungskreise zu analysieren. Technische Leistungen wie Hormonmessungen werden den ambulanten Labors zwar vergütet. Die Diagnose des endokrinologischen Spezialisten dagegen nicht. "Unter diesen Bedingungen ist es endokrinologischen Abteilungen nicht möglich, eine Ambulanz kostendeckend zu betreiben", sagt Pfeiffer. Die Einnahmen decken selbst bei einer großen Zahl an Patienten kaum die Kosten für Arzt und Schwester.

Niedergelassene Praxen finanzieren sich über technische Leistungen und im Verbund mit einem Labor. "Die fehlende Vergütung der endokrinologischen Expertise, und ihr Ersatz durch die Vergütung von Laborbestimmungen, hat strukturbildende Konsequenzen", betont Professor Pfeiffer: Laborgemeinschaften akquirieren die Endokrinologie. Die Ambulanzen an den Universitäten müssen deshalb dringend expandieren, so die DGE, um ihre Patienten weiter angemessen versorgen zu können. Zahlreiche klinische endokrinologische Abteilungen überleben gegenwärtig nur mithilfe von Geldern aus der Forschung.

Ein möglicher Lösungsansatz bestünde in einer Vergütung, die Laborkosten und Interpretation der Ergebnisse getrennt honoriert. Um den Verlust bedrohter Fächer in deutschen Universitäten zu verhindern fordert die DGE Universitäten und Träger des Gesundheitssystems auf, Universitäten an die neuen Gegebenheiten des Gesundheitssystems anzupassen. Als ersten konkreten Schritt befürwortet die DGE die Gründung einer Planungskommission: Neben den betroffenen Institutionen sollten ihr Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und des Bundesministeriums für Forschung und Bildung (BMBF) angehören, ebenso wie der Hochschulen, Fachgesellschaften, Krankenkassen und der ärztlichen Selbstverwaltung.

Unterzeichner der DGE-Stellungnahme:

Bruno Allolio, Würzburg
Reinhard Bretzel, Gießen
Berthold Hauffa, Essen
Sabine Heger, Hannover
Angela Hübner, Dresden
Peter Kann, Marburg
Harald Klein, Bochum
Detlef Kunze, München
Hendrik Lehnert, Lübeck
Klaus Mann, Essen
Klaus Mohnike, Magdeburg
Peter Nawroth, Heidelberg
Andreas Pfeiffer, Berlin
Martin Reincke, München
Michael Roden, Düsseldorf
Andreas Schäffler, Regensburg
Christof Schöfl, Erlangen
Jochen Seufert, Freiburg
Michael Stumvoll, Leipzig
Claudia Vilser, Jena
Martin Wabitsch, Ulm
Stefan Wudy, Gießen

Weitere Informationen: http://www.endokrinologie.net/stellungnahmen_110111.php

Diese Pressemitteilung wurde über den - idw - versandt.

zuletzt bearbeitet: 12.01.2011 nach oben

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