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Folgen der Gesundheitsreform für die Pharmaindustrie

Roland Berger Analyse

Die Gesundheitsreform stellt die Pharmaunternehmen vor große Herausforderungen: Viele Medikamente kommen auf den Prüfstand. Nicht nur ihr Nutzen, sondern auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis bestimmt künftig, ob ein Arzneimittel erstattungswürdig ist. Allein diese Regelung betrifft laut einer Analyse von Roland Berger Strategy Consultants Produkte aus den Top-100-Arzneimitteln, die 37 Prozent des Umsatzes ausmachen.

Zudem beeinflussen neben den Ärzten nun auch Kliniken, Patienten- und Kassenverbände, Krankenkassen sowie Behörden die Verordnung und Preisbildung von verschreibungspflichtigen Medikamenten. So werden zum Beispiel Medikamente, die nicht auf die Positivliste der Krankenhäuser kommen, dort kaum mehr eingesetzt. Von diesem Instrument sind künftig sogar bis zu 85 Prozent des Umsatzes aus den Top-100-Medikamenten betroffen. Die Pharmaunternehmen müssen daher ihr bisheriges Geschäftsmodell für Marketing und Vertrieb hinterfragen. Nach einer individuellen Analyse, welche ihrer Umsätze von welchen Instrumenten betroffen sind, können sich die Hersteller gezielt auf neue Kundengruppen ausrichten.

"Die Pharmaunternehmen sind durch die Gesundheitsreform unter Druck geraten", sagt Stephan Danner, Partner im Kompetenzzentrum Pharma & Healthcare bei Roland Berger Strategy Consultants. Die Kosten-Nutzen-Relation spielt bei der Auswahl und Zulassung von Medikamenten eine immer größere Rolle. Pharmaunternehmen geraten unter Rechtfertigungszwang bei teuren Nischenmedikamenten oder hochpreisigen Therapeutika zum Beispiel zur Krebsbehandlung. Zudem drohen günstigere Pharmaanbieter aus dem Ausland deutsche Branchenführer zu verdrängen. "Nur wenn es der Branche gelingt, sich auf die neuen Anforderungen einzustellen, werden wichtige medizinische Innovationen, die in der Regel kostenintensiv sind, möglich bleiben", so Danner.

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Pharmabranche hat viele neue Kundengruppen

Bis zur Reform waren in erster Linie Ärzte für die Auswahl der Medikamente verantwortlich. Mit der Gesundheitsreform nehmen nun auch andere Einrichtungen und Gruppen deutlich mehr Einfluss auf die Verordnung und Preisbildung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln: Dazu zählen neben den Krankenkassen, die bislang via Kostenübernahme die Wahl der Medikamente beeinflussten, auch Kliniken, Händler (Apotheken, Großhandel), Patienten- und Krankenkassenverbände sowie Behörden, wie etwa das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA).

Die Hauptaufgaben des IQWiG bestehen darin festzustellen, ob neue Medikamente einen Zusatznutzen gegenüber bekannten Wirkstoffen bieten, sowie ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis zu analysieren. Vor allem Arzneimittel gegen verbreitete Krankheiten wie Diabetes oder Hypertonie sowie teure Spezialpräparate werden künftig genau auf ihre Kosten-Nutzen-Relation überprüft und bei zu hohen Kosten eventuell nicht mehr erstattet werden. Große Krankenkassen wiederum greifen seit der Reform zu flächendeckenden Rabattvereinbarungen, die sie zunehmend auch mit ausländischen Pharmaherstellern abschließen.

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Pharmaindustrie muss Gefährdung ihres Portfolios prüfen

Pharmaexperte Stephan Danner erklärt: "Die Pharmahersteller müssen prüfen, inwieweit die Gesundheitsreform ihr Produktportfolio beeinflusst." Es gilt zu ermitteln, bei welchen Produkten der Umsatz durch die Veränderungen im Markt bedroht ist. Zudem müssen die Unternehmen entscheiden, welche Akteure für welche Pharmaprodukte besonders wichtig sind und entsprechend maßgeschneiderte Betreuungskonzepte und Marketingstrategien entwickeln. "Die Pharmaindustrie muss einerseits ihren Vertrieb neu ordnen und andererseits die Erwartungen und Auflagen der neuen Marktteilnehmer erfüllen", meint Danner.

Um die Folgen der Gesundheitsreform für die Pharmaindustrie zu ermitteln, hat Roland Berger Strategy Consultants den Arzneimittelmarkt einer quantitativen Analyse unterzogen. Das Ergebnis: "Die Umsätze der meisten Arzneimittelgruppen, ob Generika oder Neuentwicklungen, sind in der einen oder anderen Form von den neuen Instrumenten der Gesundheitsreform betroffen", sagt Dr. Morris Hosseini, Projektmanager im Kompetenzzentrum Pharma & Healthcare bei Roland Berger Strategy Consultants.

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Neues Geschäftsmodell für Pharma gefragt

37 Prozent des Umsatzes der Top-100-Arzneimittel sind allein durch die neue Kosten-Nutzen-Bewertung beeinflusst. Von flexiblen Preisvereinbarungen und Rabattverträgen durch die Kostenträger sind 68 Prozent betroffen, und die Positivlisten von Kliniken und Krankenkassen wirken sich gar auf Erzeugnisse aus, die rund 85 Prozent des Umsatzes der Top-100-Arzneimittel generieren. Festbeträge, die der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt, betreffen Arzneimittel, die rund 62 Prozent des Umsatzes ausmachen. Auch die ärztliche Zweitmeinungspflicht für neue und teure Medikamente (18 Prozent) sowie die Erstattungshöchstbeträge (21 Prozent) können einen signifikanten Prozentsatz des Umsatzes beeinflussen.

Stephan Danner fasst zusammen: "Die Pharmahersteller müssen ihr Geschäftsmodell vor allem in den Bereichen Key Account Management, Marktzugang, Pricing und Pharmaökonomie hinterfragen. Erst dann können sie sicherstellen, kundenspezifische Marketing- und Vertriebsstrategien für einen zunehmend regional geprägten Markt mit neuen Kundengruppen erfolgreich umzusetzen."

zuletzt bearbeitet: 14.05.2007 nach oben

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