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Diabetespatienten starten Protestaktion

Pressemitteilung: Diabetes-Portal DiabSite

IQWiG will Insulin-Analoga für Typ 2 Diabetiker streichen

Kurzwirksame Insulinanaloga sollen aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen für die Behandlung von Typ 2 Diabetikern ausgeschlossen werden. Der Deutsche Diabetiker Bund (DDB) ist empört und startet eine groß angelegte Protestaktion. Am vergangenen Mittwoch informierte er im Rahmen einer Pressekonferenz in Berlin über die Hintergründe.

Einer Studienanalyse des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zufolge bringen Analoginsuline gegenüber den teureren Humaninsulinen keinen zusätzlichen Nutzen. Gegen diese Aussage und ihre möglichen Folgen für die Diabetestherapie protestieren Patienten und Ärzte.

Der DDB-Bundesvorsitzende Manfred Wölfert fordert die Einbeziehung der Diabetiker in alle Entscheidungen zum Thema kurzwirksame Analoginsuline. Ihre Erfahrungen und nicht allein der Kostenfaktor sollten den Ausschlag geben, ob diese Insuline für Typ 2 Diabetiker weiterhin verordnungsfähig bleiben. Neben den "harten, evidenzbasierten" Studien-Fakten dürfen bei dieser Frage die "weichen, kompetenzbasierten" Fakten, die Betroffenenkompetenz, Lebensqualität, Therapiefreiheit und Patientenzufriedenheit enthalten, nicht übersehen werden.

Die Patientenorganisation weist außerdem darauf hin, dass Insulinanaloga langfristig durch ein besseres Diabetes-Management mit weniger Folgeerkrankungen sogar zu Kostendämpfung beitragen könnten, weil Folgeerkrankungen verringert oder gar vermieden werden.

Diabetes-Experten unterstützen die Kampagne, weil Diabetiker ihren Alltag sonst wieder mit Küchenwaage, Uhr und Spritze exakt planen müssten. "Wer sein Leben als Diabetiker aktiv gestalten möchte, muss sich auf herbe Einschnitte im Alltag und Freizeitleben einstellen", so Dr. med. Eva-Maria Fach, Vorsitzende des Berufsverbandes Niedergelassener Diabetologen (BVND). Schuld daran, so die Ärztin, "ist eine politisch installierte Bürokratie, die wirtschaftliche Interessen über die der Patienten stellt." Ein Diabetologe aus dem Publikum bringt es berlinisch auf den Punkt: "Es geht hier nicht um Analoginsuline - hier geht es nur um Kohle!".

Der Vorsitzende des Bundesverbandes Diabetologen in Kliniken (BVND), Prof. Dr. med. Thomas Haak, erklärt sein Engagement in dieser Angelegenheit damit, dass die Diabetologie seit Jahren fordere, mit der Insulintherapie das körpereigene Insulin so gut wie möglich zu imitieren. Dies sei vor allem deshalb notwendig, weil nur rund 40 Prozent der Patienten den bei Humaninsulinen erforderlichen 30-Minuten-Abstand zwischen Spritze und Essen wirklich einhalten würden. Er nennt die Vorwürfe, Analoga seien krebsverdächtig und stellten eine Allergiegefahr dar, "Märchen". Sie sollen seiner Ansicht nach politisch gewollte "Einsparungen durch die Hintertür" verschleiern.

Das "IQWiG hat im Vergleich zu entsprechenden Institutionen in anderen Ländern einen entscheidenden Geburtsfehler", stellt der Gesundheitsökonom Dr. med. Christian Gericke von der Technischen Universität Berlin fest. Die Bewertung der Analoga erfolge lediglich auf der Basis ihres medizinischen Nutzens und ließe das Verhältnis von Zusatzkosten und Zusatznutzen aus gesellschaftlicher Perspektive außer Acht. Würden diese Kriterien an alle Leistungen der Gesetzlichen Krankenkassen gestellt werden, fielen mindestens Zweidrittel aus dem Leistungskatalog.

Zudem sei die Studienlage unzureichend, weil derartige Studien bisher nicht nachgefragt wurden. "Auf der Basis dieser mangelhaften Informationen ist eine ethisch vertretbare und wissenschaftlich fundierte Entscheidung über den Ausschluss der Insulinanaloga aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen nicht möglich" und "aus gesundheitsökonomischer Sicht strikt abzulehnen", erklärt Dr. Gericke abschließend.

Erstaunlich ist auch, dass lediglich neu an Diabetes Typ 2 erkrankten Menschen die kurzwirksamen Insulinanaloga verwehrt werden soll. Diejenigen, die bereits damit behandelt werden, sollen es weiterhin bekommen. Sollen dadurch Protestaktionen von Diabetikern reduziert werden? Es ist abzusehen, dass diese Rechnung nicht aufgeht, denn der Deutsche Diabetiker Bund versichert, dass er mit seinen Aktionen für die weitere Verordnungsfähigkeit von Insulinanaloga gerade erst anfängt. Schon jetzt hat er über 5.000 Unterschriften an die Bundeskanzlerin, die Bundesministerin für Gesundheit, die Patientenbeauftragte und die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen geschickt.

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Autor: hu; zuletzt bearbeitet: 17.02.2006 nach oben

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